Wird iTunes zum modernen Zeitungskiosk?
Stand: 20.08.2009
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Berlin - Sind Partygags und Körpergeräusche wertvoller als Nachrichten aus der ganzen Welt? Die Antwort lautet ja, zumindest wenn man den Preis zugrunde legt, der dafür bezahlt wird: Das Neueste aus Bundestag, Konzernzentralen und Fußball-Stadien können Internet-Nutzer auf zahlreichen Nachrichtenportalen kostenfrei lesen. Wer dagegen "Apps" genannte Mini-Programme wie "iBeer" oder "iFart" auf das Multimedia-Handy iPhone laden will, muss dafür bezahlen - und Tausende Nutzer tun das auch. Rein kaufmännisch gesehen sind diese Applikationen damit ein Vorbild für die Medienbranche.
Die meisten Verlagshäuser und Fernsehsender sind immer noch auf der Suche nach einem einträglichen Geschäftsmodell für die digitale Welt. Werbung im Web allein bringt meist mickrige Umsätze. Und Bezahlmodelle scheiterten in den vergangenen Jahren stets, weil die Leserschaft die Artikel-Maut verweigerte. Doch während viele Medienmanager noch über die "Kostenlos-Kultur" klagten, zeigte Apple, dass zumindest unter den Handy-Nutzern nicht nur Gratismentalität herrscht: Vor einem Jahr öffnete der Konzern aus Kalifornien seinen App Store.
Über diesen Kiosk können iPhone-Nutzer ihr Telefon aufrüsten - mit Programmen für Musik und Videos, GPS-Diensten und Fahrplänen, und natürlich mit Spielen und Partygags. Innerhalb eines knappen Jahres verzeichnete Apple 1,5 Milliarden Downloads. Ein ordentlicher Teil davon war kostenpflichtig. Andere Smartphone-Hersteller haben mit virtuellen Läden nachgezogen - Google bietet für Android-Geräte den "Android Market", Nokia lädt über "Ovi" zum Einkaufen ein.
"Läden wie der App Store von Apple und Ovi von Nokia sind konsumentennah gestaltet", sagt Roman Friedrich, Partner bei der Unternehmensberatung Booz & Company in Düsseldorf. Die intuitive Benutzerführung und das einfache Bezahlsystem zählt der Experte zu den Erfolgsfaktoren. Ein weiteres Plus: Sämtliche Einkäufe wickelt Apple bequem über das bereits eingerichtete Nutzerkonto ab.
Zudem ist der App Store mittlerweile mehr als nur ein Laden für Mini-Programme. Seit dem Software-Update im Juni können Anbieter dort auch Abos verkaufen und innerhalb der Applikationen zusätzlich Geld verlangen. So ist es zum Beispiel denkbar, dass ein Verlag das Inhaltsverzeichnis einer Zeitschrift oder eines Kochbuchs kostenlos anzeigt - gezahlt wird für den Abruf der einzelnen Artikel oder Rezepte. Das iPhone wird so zur Vertriebszentrale - und Betreiber Apple verdient dank einer 30-prozentigen Provision jedes Mal kräftig mit.
Wer für ein animiertes Bierglas und Furzgeräusche zahlt, lässt sich auch eine Nachrichten-Infusion etwas kosten, hofft nun die Medienbranche. Bereits am Markt sind iPhone-Applikationen von der Mobileo AG (Dnews Premium) und dem niederländischen Nachrichtenportal nu.nl in beiden Fällen werden 1,60 Euro fällig. Die Axel Springer AG zog vergangene Woche nach: Der Konzern aus Berlin kündigte an, seine Leser im Netz zur Kasse zu bitten. Den Anfang macht eine erweiterte Version der bislang kostenlosen Fußball-Applikation "Mein Klub" von Bild.de.
Für 1,60 Euro bekommen Fans neben der 1. Bundesliga zum Beispiel auch Live-Ticker aus Zweiter Liga und Champions League sowie Multimediales rund um den Ball. Binnen drei Tagen stieg "Mein Klub Premium" in die Top 10 der kostenpflichtigen Applikationen in Deutschland auf.
Das Bezahl-Experiment beginnt mit einem Versuch, der kaum schiefgehen kann: Viele Fans investierten schon vorher in Applikationen rund um ihre Sport-Leidenschaft, teils sogar fünf oder sechs Euro. Und der Netzbetreiber T-Mobile ködert iPhone-Kunden mit Live-Bildern aus der Bundesliga. Nun lautet die Frage: Für welche Unterwegs-Infos zahlen Handybesitzer noch? "Sämtliche Inhalte auf Smartphones werden wir auf Dauer gegen Gebühr anbieten", sagte Springer-Chef Mathias Döpfner. Diese sollen aber "kreativer, exklusiver oder individueller" sein als heute.
Henning Röper, Medienexperte vom Beratungsunternehmen Solon in München, sieht für Medienkonzerne durchaus Chancen, Handy-Programme zu verkaufen - indem sie ihre publizistische Stärke nutzen, um Werbung für die eigenen Angebote und Formate zu machen. "Es dürfte aber schwierig werden, den Verbraucher für Applikationen zahlen zu lassen, die ihm nur den bequemeren mobilen Zugang zu im Internet frei verfügbarem Content ermöglichen." Es gibt also Chancen es müssen ja nicht gleich animierte Biergläser sein.