Vorratsdaten: Brüssel stellt Deutschland Ultimatum
Stand: 23.03.2012
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Brüssel/Berlin - Befürworter der Vorratsdatenspeicherung haben Unterstützung aus Brüssel erhalten. Die EU-Kommission hat die Bundesregierung am Donnerstag aufgefordert, innerhalb eines Monats die Umsetzung der betreffenden EU-Richtlinie auf den Weg zu bringen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bekräftigte daraufhin, sie werde ihren Entwurf dem Kabinett zuleiten, der keine Datenspeicherung ohne konkreten Anlass vorsieht.
Wirksamkeit ist umstritten
Die Speicherung von Telefon- und Internetdaten soll der Verbrechensbekämpfung dienen. Die Wirksamkeit ist aber umstritten. In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht die Umsetzung der EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 in deutsches Recht 2010 gekippt. Union und FDP konnten sich seitdem nicht auf ein neues Gesetz einigen. Die Justizministerin wehrt sich gegen die vorsorgliche Datenspeicherung für sechs Monate und schlägt stattdessen ein sogenanntes Quick-Freeze-Verfahren vor: Demnach sollen nur nach konkreten Anhaltspunkten für Straftaten die bei den Providern vorhandenen Daten eingefroren werden.
Allerdings will auch die EU-Kommission selbst die betreffende Richtlinie überarbeiten, um Bedenken von Datenschützern Rechnung zu tragen. "Deutschland muss endlich gestaltenden Einfluss auf Zeitplan und Umfang der Richtlinie nehmen, deren Überarbeitung 18 Monate nach dem eigenen Zeitplan der Kommission überfällig ist", erklärte Leutheusser-Schnarrenberger zu der jetzigen Brüsseler Mahnung. "Die Kabinettsbefassung mit Quick-Freeze eröffnet der Bundesregierung die Möglichkeit, endlich wieder in Sachen Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene handlungsfähig zu werden."
EU droht mit Klage
In dem Mahnschreiben werde Deutschland aufgefordert, "die vollkommene Umsetzung und Befolgung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zu sichern", sagte ein Kommissionssprecher. Kommt Deutschland der Forderung nicht nach, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und letzten Endes eine Geldstrafe. Das "Quick-Freeze"-Verfahren hält die EU-Kommission für unzureichend. "Lasst uns in diesem Punkt klar sein: Das Quick-Freeze-Verfahren kann nicht als eine Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung angesehen werden", sagte der Sprecher.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Mittwoch Leutheusser-Schnarrenberger und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) aufgefordert, eine Lösung zu finden. Nach einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" drängte die Kanzlerin auch FDP-Chef Philipp Rösler am Rande der Kabinettsitzung, eine "schnelle" und "zeitnahe" Regelung vorzulegen. Das Blatt berief sich auf Kabinettskreise.
Der FDP-Rechtsexperte Stephan Thomae machte die Union für den Konflikt mit der EU verantwortlich, weil sie sich nicht mit den Vorschlägen Leutheussers befassen wolle. Dagegen warf der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber der Ministerin "politische Spielereien" vor. Auch SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht forderte Leutheusser auf, ihren Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung aufzugeben.
Strikt gegen die Vorratsdatenspeicherung wandten sich erneut Grüne und Linke. Die Verpflichtung zur anlasslosen Speicherung aller Kommunikationsverkehrsdaten "wäre ein maßloser Missbrauch staatlicher Macht", erklärte Grünen-Parteichefin Claudia Roth. "Die Vorratsdatenspeicherung bleibt Ausdruck eines Sicherheitsdenkens, dem die Bürgerrechte egal sind", erklärte der Linken-Politiker Jan Korte.
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