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Virtuelle Realität: Neue Anwendungsmöglichkeiten

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa/tmn

Barcelona - Mit Hilfe von virtueller Realität (VR) können in Zukunft Fähigkeiten eingeübt oder Modelle gebaut werden. Die Möglichkeiten werden auf dem Mobile World Congress (MWC) gezeigt.

Keine verschwendete Farbe, keine giftigen Dämpfe: Die Lackierkabine auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona ist ziemlich sauber - und komplett virtuell. Statt der Atemmaske streift man hier am HTCs VR-Brille Vive über. Was die Taiwaner an ihrem Stand zeigen, könnte künftig der Anfang vieler Berufsausbildungen sein. Ohne teure Farbe und Werkstücke lernen angehende Lackierer die nötige Technik, bevor es in die echte Kabine geht.

Schon jetzt wirkt das ganze ziemlich real. Auf den Bildschirmen der Brille erscheint eine Autotür, mittels farbiger Striche wird angezeigt, ob Distanz, Sprühwinkel und Geschwindigkeit stimmen. Die Auswertung zeigt an, wo zu viel, zu wenig oder gar keine Farbe auf dem Blech gelandet ist. "Man kann praktische Erfahrung sammeln, ohne Material zu verbrauchen oder die Gesundheit zu gefährden", fasst Graham Breen von HTC die Vorteile der virtuellen Lackierkabine zusammen.

Auch VR-Feuerwehrtraining mit echtem Schlauch, Wärmejacke und digitalem Feuer lässt sich realisieren. Die hinderlichen Kabel, die VR-Brille und Computer verbinden, dürften bald der Vergangenheit angehören. Sowohl DisplayLink als auch TPCast haben mittlerweile Lösungen im Angebot, die Bilder drahtlos auf die kleinen Bildschirme der Vive schicken.

3D-Objekte direkt erschaffen

Ein paar Meter weiter erschafft Tom Farinella 3D-Objekte im virtuellen Raum. Über die neue Plattform MakeVR bastelt er mit Hilfe seiner virtuellen Hände eine Smartphonehülle und verziert sie mit einer kleinen Maus. Im 3D-Drucker entsteht dann aus den Daten ein echtes Objekt.

MakeVR zielt auf die wachsende Bastlerszene, die sogenannten Maker. Aber eigentlich soll jeder in der Lage sein, damit beliebige Objekte zu erschaffen, zu kombinieren und auszudrucken. Obwohl es mit ungeübtem Blick recht kompliziert aussieht, wenn der Entwickler mit den Vive-Controllern hantiert, Bögen schlägt und Formen in die Luft malt. Ein zehnminutiges Tutorial soll allerdings ausreichen, um erste Gegenstände erschaffen zu können, verspricht Farinella.

Einen eigenen 3D-Drucker braucht dafür niemand. Dienstleister können die Objekte in beliebigen Materialien ausdrucken und per Post versenden, sagt HTC-Produktmanager Graham Breen. Und der Markt dafür ist offenbar vorhanden. 18 Prozent der Bundesbürger haben laut einer aktuellen Umfrage des IT-Verbandes Bitkom schon einmal einen 3D-Druck angefertigt oder von einem Dienstleister anfertigen lassen. Mehr als jeder zweite Befragte (55 Prozent) kann sich vorstellen, künftig 3D-Druck zu nutzen.

Immer noch ein teurer Spaß

Dennoch: Ein günstiges Vergnügen ist VR am PC noch nicht. Rund 800 Euro kostet ein Headset, für einen VR-fähigen Computer sind noch einmal mindestens 1000 Euro fällig. Timm Lutter vom Bitkom sieht daher eher das Smartphone als Antreiber für VR im Massenmarkt. Zahlreiche niedrigschwellige Angebote wie Panoramafotos und 360-Grad-Videos mit VR-Brillen wie Googles Cardboard sind bereits mit den meisten Smartphones nutzbar. Die Leistung der PC-Systeme erreichen sie aber längst nicht.

Samsungs Gear VR und Googles Daydream VR kommen in Sachen Leistung den High-End-Brillen schon näher. Hier zeichnet sich ein Konkurrenzkampf der Systeme ab. Gemeinsam mit Oculus setzt Samsung bei seiner Gear VR auf die eigenen Spitzenmodelle der Galaxy S6- und S7-Reihe, eigene Inhalte und einen eigenen Store für Spiele oder Filme. Google hingegen nennt Mindestanforderungen, die Hersteller erfüllen müssen, damit ihre Geräte Daydream-tauglich sind. Inhalte werden ganz normal über Google Play angeboten. 

Geschwindigkeit könnte höher sein

Doch die Entwicklung lahmt etwas. Einerseits bei Samsung, da sich das Galaxy S8 als neuer Technologietreiber verschiebt. Auch die Auswahl an tauglichen Smartphones für Daydream VR ist wegen der hohen Anforderungen an die Hardware bislang auf drei vorhandene und zwei angekündigte Modelle beschränkt. Und richtig günstig ist die leistungsfähigere VR auf dem Smartphone auch nicht. Beide Brillen kosten zwischen 70 und 100 Euro, die zum Betrieb nötigen Smartphones gibt es selten unter 600 Euro.

In Sachen Bedienbarkeit hat Googles vergangenes Jahr eingeführte VR-Brille mit geringem Gewicht und dem drahtlosen Controller allerdings neue Maßstäbe gesetzt. Samsungs reagiert darauf und wird nach Ankündigungen auf dem MWC die nächste Generation der Gear VR leichter und erstmals mit drahtloser Steuerung ausliefern. Zwar zeigt Samsung am Stand in Barcelona noch keines der neuen Geräte, doch bei den gezeigten VR-Inhalten liegt auch hier der Fokus längst nicht mehr nur auf Spielen und Filmen.

Zum Beispiel Relumio, eine Anwendung für Gear VR für Menschen mit schwerer Sehbehinderung aus Samsungs Creative Labs. Sie ergänzt fehlende Bildinformationen und gleicht Verzerrungen aus. Mit VuildUS können Wohnungen virtuell eingerichtet werden und traVRer ist eine 360-Grad-Reise-App. Mit ihr sollen Urlauber schon vor der Abfahrt ihr Reiseziel erkunden können.