"Vertipperdomains" könnten neue "ß"-Richtlinie missbrauchen
Stand: 17.11.2010
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Montabaur - Ab sofort ist in deutschen Internet-Adressen der Buchstaben „ß“ erlaubt. Doch birgt diese Neuerung ernsthafte Gefahren: Betrugswebseiten („Vertipperdomains“) könnten die neue Domain-Richtlinie missbrauchen. Gefährdet sind insbesondere Unternehmen. Darauf weist Thomas Plünnecke, Pressereferent beim Internet-Anbieter 1&1, hin.
Der Missbrauch bekannter Domainnamen nimmt seit Langem stark zu. Neben den Vereinigten Staaten und Großbritannien gehört Deutschland zu den Brennpunkten der illegalen Aktivitäten. Laut aktuellem Brandjacking Index entfallen 80 Prozent aller Webseiten, die verbotenerweise einen Markennamen verwenden, auf diese drei Länder. „Bei den Tätern handelt es sich meist um professionell organisierte Banden, die untereinander bestens vernetzt sind“, erklärt Thomas Plünnecke.
Egal ob Autobauer, Finanzdienstleister, Elektronikhersteller oder Getränkelieferant – verschont bleibt fast keine Branche. Schätzungen zufolge haben einzelne Brands mit bis zu 1500 unautorisierten Webseiten zu kämpfen. Einen deutlichen Zuwachs beobachteten die Markenschutzspezialisten von MarkMonitor zuletzt vor allem bei Luxusgütern (plus 23 Prozent) und Bekleidung (plus 14 Prozent). Experten gehen insgesamt von mehreren Hundertausend Verstößen pro Jahr aus. Aufgeklärt werden die wenigsten Delikte: Die von der UNO eingesetzte Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) entschied 2009 lediglich in 2107 Verdachtsfällen.
„Domainmissbrauch ist ein äußerst lukratives Geschäft“, berichtet Plünnecke. „Die Währung, in der hier abkassiert wird, heißt Traffic.“ So bedienen sich die Gauner der Popularität des Originals, um den Datenverkehr im World Wide Web umzuleiten. Ziel ist es, möglichst viele Besucher auf die von ihnen gefälschte Homepage zu locken. Dort bieten sie dann billige Plagiate zum Kauf an. Nicht selten landen ahnungslose Internet-Nutzer zudem auf Webseiten, auf denen ihr Computer mit Viren infiziert wird („Drive-by-Download“) oder sie persönliche Informationen wie Passwörter, Bank- und Kreditkartendetails angeben sollen („Phishing“).
Für ihre Machenschaften setzen die Kriminellen verschiedene Maßnahmen ein, die immer häufiger kombiniert werden. Die mit Abstand beliebteste Methode ist das Cybersquatting. Der Squatter (englisch für Hausbesetzer) greift auf freie Domains zurück, um an eine Internet-Adresse zu kommen, die der einer Firma ähnelt. Das Typosquatting, eine Unterform dieser Masche, ist ebenfalls sehr verbreitet. „Die Täter spekulieren bei diesem Trick auf Tippfehler beim Eingeben einer URL und registrieren bewusst Domains in leicht abgewandelter Schreibweise“, so Plünnecke.
Durch die jetzt von der zentralen Registrierungsstelle DENIC erweiterten Richtlinien bieten sich den Squattern künftig zusätzliche Manipulationsmöglichkeiten, da Domainnamen wie www.gross.de und www.groß.de nicht mehr länger identisch sind, sondern separat beantragt werden können. Firmen, die sich mit „ß“ schreiben und bisher ausschließlich auf eine Internet-Adresse mit Doppel-S vertrauten, sollten deshalb auch die entsprechende Eszett-Domain registrieren. Nur so lässt sich verhindern, dass schwarze Schafe ihr Unwesen treiben.
„Wenn es um ihren guten Ruf geht, sollten Unternehmen nichts dem Zufall überlassen“, warnt Thomas Plünnecke. „Den besten Schutz der eigenen Marke erreicht man durch Vorsorge – das gilt offline wie online.“