München - Nach Meinung des O2-Chefs René Schuster wird die Mobilfunkbranche vom Aufstieg sozialer Netzwerke wie Facebook profitieren. "Der Boom von Social Media wird das mobile Datengeschäft weiter nach vorne bringen". Das sagte Schuster kurz vor der "Handelsblatt"-Tagung "Telekommarkt Europa" am Dienstag im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Die Kunden wollten soziale Medien auf ihren Geräten nutzen, egal ob sie gerade im Festnetz oder Mobilfunk online sind.
Das treibt nach Ansicht von Schuster auch die Entwicklung hin zu integrierten Telekomunternehmen voran, die ihren Kunden Mobilfunk- und Festnetzprodukte aus einer Hand anbieten. "Durch den Boom des mobilen Internets wird die Konvergenz schneller im Markt sein, weil der Kunde das einfach verlangt." Jeder fünfte bis sechste Kunde wolle heute schon mehrere Telekommunikationsprodukte bei einem Anbieter kaufen. "Dieser Markt wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Das ist eine Wachstumschance."
O2 ist mit der Idee nicht allein. Auch die Telekom und Vodafone erhoffen sich von solchen Mehrfachnutzern höhere Umsätze und niedrigere Kündigungsraten (churn). Telekom-Deutschland-Chef Niek Jan van Damme rechnete zuletzt vor, dass ein Prozent mehr Kunden mit sowohl Festnetz- als auch Mobilfunkanschlüssen ein Umsatzplus im dreistelligen Millionenbereich bringe. Schuster hat solche Zahlen noch nicht parat, weiß aber schon: "Die Kündigungsrate sinkt um über 30 Prozent, wenn Kunden mehr als ein Produkt bei einem Anbieter haben."
Deshalb will der O2-Chef auch das Thema Internetfernsehen weiter vorantreiben. O2 selbst hat zwar noch kein Fernsehangebot, aber der jüngst übernommene DSL-Anbieter Hansenet/Alice bietet TV und Video-on-Demand über die Telefonleitung an. Zuletzt hatte Alice 40.000 IPTV-Kunden, das ist zwar deutlich weniger Kunden als zum Beispiel die Telekom hat, Schuster bleibt aber optimistisch: "Wenn das weiter so gut läuft, werden wir dieses Angebot auch bei O2 einführen." In Spanien sei der Mutterkonzern Telefonica mit mehr als 700.000 Fernsehkunden schon viel weiter. "Davon können wir auch in Deutschland lernen."
Die Pläne für die Integration von Hansenet werden derzeit noch ausgearbeitet: "Die Integration läuft gut. Die Kultur beider Unternehmen ist sehr ähnlich." Über die weiteren Pläne werde im Sommer entschieden. "Bis September sollen aber die Produkte beider Unternehmen in allen O2-Shops verkauft werden." In den nächsten Wochen sollen die Alice-Kunden schon O2-Handys und Tarife buchen können. "Die Kunden fragen schon danach, das ist ein gutes Zeichen."
Die Zukunft sieht Schuster aber in den Smartphones. "Das Wachstum der Smartphone-Nutzung ist unglaublich", betont er. "In den nächsten drei bis fünf Jahren werden auch in Deutschland nur noch Smartphones verkauft werden. Die große Frage ist jetzt, wie sieht es mit den Netzkapazitäten aus."
Die vier deutschen Mobilfunker haben sich gerade neue Frequenzen gesichert, um ihre Netze mit dem neuen Mobilfunkstandard Long Term Evolution (LTE) für den erwarteten Datenboom aufzurüsten. Telefonica O2 hat bei der Frequenzauktion im Mai 11 Frequenzblöcke für insgesamt 1,38 Milliarden Euro ersteigert, darunter auch Frequenzen im 800-Megahertz-Bereich (Digitale Dividende), mit deren Hilfe Breitbandanschlüsse auf dem Land ausgebaut werden sollen.
Beim Netzausbau setzt Schuster auf Kooperationen. "Die Industrie und das ganze Geschäftsmodell muss sich verändern. Wir müssen mehr und vor allem intelligenter miteinander kooperieren." Erste Gespräche mit anderen Netzbetreibern liefen gerade an. "Wir starten unser erstes regionales LTE-Projekt noch in diesem Jahr", verspricht Schuster. "2011 werden sicher die ersten Surfsticks der namhaften Hersteller angeboten. Nach Einschätzung der Hersteller wird es LTE-Handys aber wahrscheinlich erst 2012 geben".