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"Social-Ismus" oder warum Beziehungen die neue Währung sind

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Hamburg/Zürich - Soziale Netzwerke wie Facebook zählen zu den Erfolgsgeschichten des Internets und sind aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Forscher sehen darin gar einen Trend, der auch die Gesellschaft verändert. Mit den Auswirkungen des "Social-Ismus" befasste sich der Europäischen Trendtag in Zürich.

"In Zukunft wird es kaum noch etwas geben, das wir nicht teilen, tauschen, ausleihen, und wiederverwenden - kurz: gemeinschaftlich konsumieren", sagt Trendforscher David Bosshart, Leiter des Gottlieb Duttweiler Instituts in Zürich. Heftig propagiert wurden die neuen Thesen rund um Social Media oder Social Shopping auf dem 8. Europäischen Trendtag am Mittwoch in Zürich.

Das Ereignis ist ein Zusammenschluss zwischen dem Schweizer und dem Deutschen Trendtag, der bisher in Hamburg beheimatet war. "Der Kult des Sozialen - ", lautete das Motto.

"Meins ist deins" - Die Lust am Teilen

Für Bosshart ist die Allgegenwart des "Sozialen" das Zeichen eines Paradigmenwechsels: Waren Besitz und Eigentum bis dahin zentrale Elemente unseres Wirtschaftssystems, so gehe die "Mein Auto, mein Haus, mein Boot"-Mentalität langsam in eine "Meins ist deins"-Ökonomie über. In Social Networks sei Teilen bereits Programm: Um zu wachsen, unternehmen Facebook, Twitter, Google usw. alles, was die Lust am Teilen fördert. So etablierten sich neue Nutzergewohnheiten und führten zu einer neuen Kultur des Teilens, die sich von Informationsprodukten (Fotos, Texten, Musik, Videos) auf physische Produkte übertrage.

Laut Prof. Norbert Bolz von der Technischen Universität Berlin wird in Zukunft das Soziale zum Medium des Konsums. "Wir sind unterwegs von der Experience Economy zur Beziehungsökonomie", meint Bolz. Menschen versammelten sich um Themen, die sie interessieren, und entfalteten eine neue Kommunikationskultur, die man "globale Mundpropaganda" nennen könnte.

"Linking ist die fundamentale Operation des Mediums für Ansehen und Aufmerksamkeit." Soziologen sprechen in diesem Zusammenhang von sozialen Graphen. "Das klingt komplizierter als es ist. Man muss nur an das Grundprinzip von Facebook denken: Wen kennst du, und wer kennt dich?"

Keine Rede von Generation X

Die Internet-Kultur bestehe in erster Linie in der Pflege des Netzwerks selbst, also eines Angebots von Beziehungen und Verknüpfungsmöglichkeiten. "All das funktioniert, weil Menschen Wesen der Beziehung und der Sorge sind", meint der Trendforscher. Von Generation X könne keine Rede mehr sein.

"Für die neue Generation We ist geteilte Konsumfreude doppelte Freude - Soziopleasure." Als Beispiele wurden auf dem Trendtag das Social-Online-Shopping genannt, das Einkaufen mit Freunden oder die amerikanische Online-Plattform NeighborGoods.net, auf der Nachbarn Gebrauchsgegenstände miteinander teilen, wie zum Beispiel eine Bohrmaschine.

Auf dem Weg zum Hightech-Nomaden

"Wir befinden uns in einem Strukturwandel, wie es ihn nur im Übergang von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft gegeben hat", prognostiziert Prof. Peter Wippermann, Gründer des Hamburger Trendbüros, in seinem neuen Buch "Leben im Schwarm" (Red Indians Publishing, Reutlingen). Das Internet werde zur Infrastruktur des 21. Jahrhunderts. "Wir sind dabei, Hightech-Nomaden zu werden. Unsere Ideale heißen Mobilität, Flexibilität und Dynamik."

Freiheit und Selbstbestimmung hätten aber auch ihren Preis. Die permanente Erreichbarkeit, die We-Time, die durch Smartphones und Tablet-Computer möglich geworden sei, erfordere Selbstkontrolle. "Jederzeit das mobile Internet nutzen zu können führt inzwischen dazu, dass 35 Prozent der Amerikaner ihr Smartphone mit ins Bett nehmen, um schon vor dem Aufstehen ihre Social-Media-Kontakte zu pflegen. Eine selbstorganisierte Auszeit, die Me-Time, wird zum notwendigen Luxus", meint der Trendforscher.