Polizei wollte private Rechner ausspionieren
Stand: 18.10.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
Dresden - In Sachsen ist mehrfach versucht worden, mit umstrittener staatlicher Überwachungs-Software private PCs auszuspionieren. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Dresden gab es 2006 und 2009 insgesamt drei Versuche, Software zum Abhören von Internet-Telefonaten wegen des Verdachts auf Drogenkriminalität zu installieren. Das teilte der Justizminister Jürgen Martens (FDP) am Montag mit. Die Software-Installation, die Martens als legal bezeichnete, wurde aber in allen Fällen abgebrochen.
Die Zahl der Einsätze sogenannter Trojaner-Programme zur Computerüberwachung gegen mutmaßliche Kriminelle liegt nach einer vorläufigen Erhebung in Bund und Ländern in den vergangenen Jahren bei mehr als 50 Anwendungen. Umstritten ist besonders die vom Bundeskriminalamt seit 2010 in sieben Fällen genutzte Software für Online-Durchsuchungen, die sich gegen militante Islamisten richtete. Sicherheitslücken und die Möglichkeit zum Vordringen in die Privatsphäre sind die Hauptkritikpunkte.
LKA und Zoll wollten Telefonate abhören
In weiteren Fällen setzten Polizeibehörden auf Bundesebene die Spähsoftware für eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) ein, um Gespräche, Mails oder Chats zu kontrollieren. In diese Gruppe fallen auch die drei Versuche in Sachsen, die 2006 einmal vom Landeskriminalamt (LKA) und 2009 zweimal vom Zoll unternommen wurden. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Einsatz von Trojanern bei behördlichen Ermittlungen auf Internet-Telefonate oder Online-Chats beschränkt. Allerdings ist noch unklar, wer auf die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben achtet und die Software dem Einzelfall entsprechend programmiert.
In Sachsen richteten sich die Aktionen gegen Drogenhändler, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Lorenz Haase, auf dapd-Anfrage sagte. In zwei Fällen missglückte die Installation, weil es technische Schwierigkeiten gegeben habe. Im dritten Fall sei der Verdächtige festgenommen worden, sodass eine Installation der Software nicht mehr notwendig war.
"Der Einsatz der Software ist aber aus unserer Sicht rechtlich zulässig", betonte Haase. Weitere Einsätze gebe es derzeit nicht. Erneute Versuche seien aber nicht ausgeschlossen.
Speziell entwickelte Computerprogramme
Justizminister Martens erklärte, das Landgericht Dresden und das Amtsgericht hätten damals den Anträgen der Staatsanwaltschaft stattgegeben. Die versuchten Abhöraktionen seien "ausschließlich auf die Überwachung der mündlichen und schriftlichen Kommunikation mittels des Internettelefonie-Dienstes Skype gerichtet" gewesen und seien entsprechend beschränkt worden. Das sei erlaubt. Bei der Software habe es sich laut LKA und Zoll um speziell in Auftrag gegebene Programme gehandelt, die ausschließlich die Überwachung von "Skype"-Telefonaten auf "dem Zielcomputer" ermöglichen sollten.
"Bis zur Klärung aller rechtlichen und tatsächlichen Fragen, insbesondere bis sichergestellt ist, dass neue Softwareprogramme allen rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, kommen in Ermittlungsverfahren sächsischer Staatsanwaltschaften sogenannte Trojaner nicht zum Einsatz", kündigte Martens an. Software zur Online-Durchsuchung werde es auch weiterhin nicht geben.
Der Rechtsexperte der Grünen-Fraktion, Johannes Lichdi, kritisierte Martens. Die von LKA und Zoll benutzte Software könne auch ein Türöffner für Online-Durchsuchungen sein, sagte Lichdi. Das Bundesverfassungsgericht habe dazu in seinem Grundsatzurteil 2008 technische und rechtliche Vorgaben zur Einschränkung der Überwachung eingefordert. Die rechtskonforme Ausgestaltung der Software bleibe daher auch in Sachsen weiter offen.