Peter Schaar: Vorratsdatenspeicherung nicht vertretbar
Stand: 27.05.2015
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Berlin - Der ehemalige oberste Datenschützer Deutschlands, Peter Schaar, warnt vor der erneuten Einführung der verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung. "Es ist rechtlich sehr problematisch, dass Daten über sämtlichen Telefon- und Internetnutzern aufgezeichnet werden sollen - auch von denjenigen, die nicht im Entferntesten im Verdacht stehen, irgendetwas mit schweren oder sogar terroristischen Straftaten zu tun zu haben", sagte Schaar der Deutschen Presse-Agentur.
Das Bundeskabinett will am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung beschließen. Er sieht vor, dass Informationen über Telefonate und SMS aller Menschen zehn Wochen lang gespeichert werden, damit Ermittler darauf zugreifen können. Informationen über den Aufenthaltsort sollen vier Wochen lang gespeichert werden. Nach dem Beschluss des Kabinetts geht der Gesetzentwurf an den Bundestag.
Die Vorratsdatenspeicherung gab es in Deutschland schon einmal, doch das Bundesverfassungsgericht kassierte die Regelung 2010 als verfassungswidrig. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) legte auf Drängen von SPD-Chef Sigmar Gabriel nun einen neuen Vorschlag vor.
Das Gesetz spricht von einer "Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten". Die Dauer der Speicherung wurde verkürzt, Vorgaben für die Sicherheit der Daten kamen hinzu. Schaar ist dennoch gegen eine Wiedereinführung. "Die erste Frage ist doch: Brauchen wir das überhaupt?" fragte er. "Die Bundesregierung bleibt den Nachweis schuldig, dass dieser erhebliche Grundrechtseingriff unerlässlich ist". Seine Haltung ist klar: "Eine anlasslose, alle Telefonkunden und Internetnutzer betreffende Vorratsdatenspeicherung halte ich für grundrechtlich nicht vertretbar."
Auch die Daten von Ärzten, Anwälten oder Journalisten, die eine Schweigepflicht oder das Recht zur Zeugnisverweigerung haben, sollen gespeichert werden. Ermittler dürfen die Daten zwar nicht verwerten, doch Schaar bewertet schon die Speicherung als problematisch.
Kritik an dem Vorhaben kommt auch aus der Wirtschaft. Der Internetverband eco etwa hält die Vorgaben zum Teil für praktisch nicht umsetzbar. Schaar kritisierte auch das schnelle Verfahren. Die Bundesregierung will das Gesetz möglichst zügig verabschieden. Schaar war bis 2013 zehn Jahre lang Bundesdatenschutzbeauftragter.
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung findet sich auch eine Regelung, die den Handel mit gestohlenen Daten unterbinden soll. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar ist alarmiert: "Das läuft ein bisschen im Windschatten. Das ist nicht minder bedeutsam als die Vorratsdatenspeicherung", sagte er.
Laut dem Gesetzentwurf soll es verboten werden, Daten, "die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat", zu veröffentlichten. Eigentlich soll das dem Schutz persönlicher Daten dienen. Doch nach Ansicht von Schaar würde das auch Journalisten und Menschen treffen, die Fehlverhalten in Unternehmen und Regierungen ans Licht bringen wollen. "Die Regelung betrifft den typische Whistleblower-Fall, bei dem die Daten ja aus geheimen Quellen stammen", sagte Schaar.
"Wenn es diesen Straftatbestand vor eineinhalb Jahren schon gegeben hätte, dann wären viele der Berichte über die NSA-Spähaffäre strafbar gewesen", ist Schaar überzeugt. "Die Betreiber entsprechender Plattformen und Blogger wären als 'Datenhehler' verfolgt worden." Auch die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen warnte, die Regelung könnte Journalisten und ihre Informanten abschrecken.