Onlinevideothek Netflix droht der Absturz
Stand: 26.10.2011
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Los Gatos/New York - Keine Onlinevideothek war bislang so schnell erfolgreich wie das US-Unternehmen Netflix. Sie wurde sogar als schärfster Konkurrent zum konventionellen Fernsehen gehandelt. Bevor Netflix seine Expansionspläne in den Rest der Welt umsetzen kann, laufen in den USA jedoch die Kunden davon. Die Aktie fiel binnen Wochen von 300 US-Dollar auf 75 US-Dollar.
Nach Vorlage der neuesten Abo-Zahlen brach der Aktienkurs am Dienstag im frühen New Yorker Handel um 37 Prozent auf 75 Dollar ein. Im Sommer hatte die Aktie noch mehr als 300 Dollar gekostet. Netflix hatte es binnen weniger Monate geschafft, treue Nutzer gegen sich aufzubringen. Zuerst erhöhte die Onlinevideothek mehrfach die Preise. Manche Kunden mussten am Ende doppelt so viel zahlen wie zuvor. Dann kündigte Firmenchef und Gründer Reed Hastings an, den Versand von DVDs und Blu-ray Discs auslagern zu wollen. Übrig bleiben sollte noch das sogenannte Streaming von Filmen, also das Anschauen übers Internet auf dem Computer, iPad oder entsprechend ausgerüstetem Fernseher.
Preiserhöhungen verärgern Nutzer
Netflix habe die Nutzer mit den Preiserhöhungen und der letztlich doch noch gekippten Abspaltung des DVD-Versands verärgert, räumte Hastings am Montag in einem Brief an die Aktionäre ein. "Dadurch haben wir unseren hart erarbeiteten Ruf beschädigt, und unser Wachstum im Inland abgewürgt." Nachdem es bislang nur aufwärts gegangen war, kündigten nun viele US-Kunden: Vom zweiten aufs dritte Quartal fiel die Zahl der Abos um 800 000 auf 23,8 Millionen.
Die Onlinevideothek war 1997 gegründet worden und rasant gewachsen. Vor zwei Jahren hatte sie nicht mal halb so viele Mitglieder wie heute. Die US-Fernsehsender fürchteten schon, im Kampf um die Gunst der Zuschauer den Kürzeren zu ziehen. Die Netflix-Nutzer können sich unbegrenzt Filme und Serien anschauen und das ab 8 Dollar im Monat, was umgerechnet keine 6 Euro sind.
Expansion nach Europa geplant
Doch es dürften weitere Kunden abspringen: Die Zahl der Streaming-Nutzer könnte sich im laufenden Quartal von 21,5 Millionen auf rund 20,0 Millionen verringern, schätzt Netflix. Die Zahl der DVD-Nutzer könnte von 13,9 auf bis zu 10,3 Millionen zurückgehen. Manche Kunden nutzen auch beide Dienste. Ein Lichtblick ist das Geschäft außerhalb der Vereinigten Staaten, das anhaltend zulegt, aber mit 1,5 Millionen Kunden noch vergleichsweise klein ist.
Erst vor wenigen Monaten hatte Netflix den Gang nach Lateinamerika gewagt und will demnächst auch nach Europa kommen. Der Vorstoß kostet aber Geld. Während der Gewinn im dritten Quartal noch bei unterm Strich 62 Millionen Dollar lag, geht Netflix für das vierte Quartal gerade mal von 19 Millionen bis 37 Millionen Dollar aus. Netflix muss für die Kinostreifen und Serien Gebühren an die Filmfirmen zahlen.