Netzpolitische Mehrheit fordert Regierung heraus
Stand: 04.07.2011
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Berlin - Das haben sich die Regierungsfraktionen im Bundestag wohl anders vorgestellt: Eine Niederlage nach der anderen mussten sie am Montag in einem Abstimmungsmarathon der Internet-Enquete-Kommission hinnehmen. "Ich bin enttäuscht", sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek. "Wir haben als Koalition in den Projektgruppen viele Kompromisse gemacht." In den Abstimmungen über den Zwischenberichts im Plenum sei versucht worden, die eigene Position durchzusetzen.
Bei den Empfehlungen für ein neues Urheberrecht, das den Anforderungen der digitalen Gesellschaft Rechnung tragen soll, fanden Anträge von SPD, Grünen und der Linken knappe Mehrheiten. Entscheidend war das Stimmverhalten der 17 Sachverständigen, die entsprechend der Fraktionsstärken von den Parteien vorgeschlagen wurden - aber nicht unbedingt immer in deren Sinne stimmten.
Nach eigenen Sachverstand abstimmt
"Ich habe so abgestimmt, wie man es von einem Sachverständigen erwartet, dass man nach seinem eigenen Sachverstand abstimmt", betonte der Bielefelder Künstler und Netzaktivist padeluun, der von der FDP-Fraktion vorgeschlagen worden war. Geschwächt war das Regierungslager zudem, weil am Montag krankheitsbedingt der Medienwissenschaftler Wolf-Dieter Ring als Sachverständiger in ihren Reihen fehlte.
Das Ergebnis der Abstimmungen waren Empfehlungen, die die Internet-Szene aufhorchen ließen. "Da schau her. Weisheit macht sich breit", twitterte der Chefredakteur der Computerzeitschrift "c't", Jürgen Kuri. Das Gremium empfahl unter anderem das Recht auf eine Privatkopie auch für Downloads im Internet. Es sprach sich für den Vorschlag einer Kultur-Flatrate aus, als "gesetzliche Verankerung eines Anspruchs von Urheberinnen und Urheber gegen Provider auf Zahlung einer Vergütung durch die Verwertungsgesellschaften".
Nähe zum Internet wichtiger als Partei-Verbundenheit
Die Abstimmungen offenbarten neue Mehrheiten in der Netzpolitik, sagte der Sachverständige Markus Beckedahl vom Blog netzpolitik.org im Gespräch mit dpa. Dabei werde die Nähe zum Internet wichtiger als die Verbundenheit mit einer Partei.
Netzaktivisten und Oppositionsabgeordnete freuten sich schon über weitere Mehrheiten auch in der umstrittenen Debatte über die Netzneutralität, also über die Verkehrsregeln beim Datentransport im Internet. Aber das Regierungslager hatte sich in der Pause neu sortiert und beantragte eine Vertagung der Enquete-Kommission bis zum Herbst. Der Sachverständige Hubertus Gersdorf begründete dies damit, dass die vielfachen Änderungen am Haupttext der Empfehlungen dazu führten, dass das Ergebnis sprachlich und inhaltlich nicht mehr zusammenpasse.
Zu umfangreiches Aufgabengebiet
"Die Koalition ist nicht essen gegangen, sondern in einen Raum rein", sagte Beckedahl. In diesem Raum war auch padeluun, der einige Male der Opposition zu ihren Mehrheiten verholfen hatte. "Es macht keinen Spaß, Zünglein an der Waage zu sein", sagte der Netzaktivist im Gespräch mit dpa. "Aber ich lerne hier einiges über Parlamentarismus und politische Arbeit." Hauptproblem der Enquete-Kommission sei es, dass ihr Aufgabengebiet so umfangreich sei, dass es für acht Enquete-Kommissionen reichen würde.
Anstatt sich dem nächsten Tagesordnungspunkt, der Netzneutralität, zuzuwenden, diskutierte die Runde nun heftig über den Antrag auf Verschiebung: "Wenn wir jetzt diesen Punkt aufgerufen hätten, wäre es genauso gewesen wie eben", klagte der CDU-Abgeordnete Peter Tauber mit Blick auf die Ergebnisse vom Vormittag. Der Netzaktivist Alvar Freude, der sich für eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität einsetzt, konstatierte ernüchtert: "Hier soll eine Abstimmung verhindert werden."
Warum wurden Entscheidungen vertagt?
Der SPD-Abgeordnete Martin Dörmann sagte, die Verschiebung sei nur deswegen beantragt worden, weil es beim Urheberrecht klare Ergebnisse gegeben habe, "nur nicht so wie manche es gern gehabt hätten". In der letzten Abstimmung des Tages folgte padeluun dann dem Antrag des Regierungslagers auf Verschiebung - nach der Sommerpause geht es weiter.