Napster ist tot - Die Geschichte einer Legende
Stand: 04.09.2002
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Hamburg (dpa) - Für Millionen Musikfreunde war sie längst zur Legende geworden, der Musikindustrie galt sie bis zum Schluss als Schreckgespenst. Nun sprach ein Konkursrichter das endgültige Todesurteil. Richter Peter Walsh lehnte am Dienstag (Ortszeit) in Wilmington (US-Staat Delaware) die Übernahme der Musiktauschbörse Napster durch den Medienkonzern Bertelsmann überraschend ab. Die Transaktion wäre durch das Verhalten des Napster-Chefs und vormaligen Bertelsmann-Mitarbeiters Konrad Hilbers wegen eines Interessenkonfliktes belastet gewesen, begründete Walsh seine Entscheidung.
Anders als die übrigen Musikkonzerne, die in der damals neuen Tauschtechnologie allein die Ursache für ihre rückläufigen Umsätze sahen, hatte Bertelsmann im Oktober 2000 bereits frühzeitig mit Napster über eine strategische Allianz verhandelt. Ziel war es, statt jahrelang vor Gericht zu klagen, die Technologie des Pioniers zu nutzen und aus dem illegalen Tausch einen kostenpflichtigen Vertriebskanal zu machen. Zuletzt war der Medienkonzern, der seit dem Jahr 2000 etwa 80 Millionen Dollar in Napster gesteckt haben soll, einziger Bieter bei der jüngsten Versteigerung der restlichen Vermögenswerte. Zwei wichtige Vertreter der Musikindustrie, die Music Publishers Association und die Recording Industry Association of America (RIAA), hatten sich vehement gegen den Verkauf an Bertelsmann ausgesprochen. Trotz anders lautender Studien hatte die RIAA wiederholt die Popularität der Internet-Tauschbörsen für die Umsatzrückgänge der Branche verantwortlich gemacht.
Die Entscheidung von Richter Walsh dürfte dem Medienkonzern möglicherweise selbst entgegen gekommen sein. "Wir akzeptieren die Entscheidung des Gerichts, den Verkauf der Napster-Vermögenswerte an Bertelsmann nicht zuzustimmen und zugleich die Tatsache, dass der Kauf nicht vollzogen wird", kommentierte Bertelsmann-DirectGroup- Sprecher Gerd Koslowski lapidar den Richterspruch. Erst Stunden zuvor hatte der Konzern in Gütersloh eine strategische Neuausrichtung seiner e-Commerce-Geschäfte bekannt gegeben. Nach dem jüngsten Stühlerücken in den Chefetagen will der neue Konzernchef Gunter Thielen eine deutliche Kehrtwende zu den Bestrebungen seines Vorgängers Thomas Middelhoff vollziehen. Dieser hatte über Jahre hinweg auf neue Vertriebswege über das Internet und einen kostenpflichtigen Neuanfang der Tauschbörse gesetzt.
Nun will sich das Unternehmen künftig aus mehreren Online-Shops zurückziehen und andere in die bstehenden Medienclubs integrieren. Innerhalb dieser Rückbesinnung auf die traditionellen Kerngeschäfte hätte Napster nach einem Bericht des "Wall Street Journal" ohnehin keine Finanzhilfen mehr aus Gütersloh erhalten. Trotz vielfacher Ankündigungen gibt es bis heute auch kaum kostenpflichtige Alternativen der anderen Musikkonzerne. Zwar sagt das Marktforschungsunternehmen Forrester der Industrie bereits für 2007 voraus, dass mit digitalen Abo- und Kaufangeboten rund zwei Milliarden Dollar, rund 17 Prozent ihres Gesamtumsatzes eingenommen werden könnten. Doch dafür müssten die Dienste für die Musikfans attraktiver werden.
Einer der wesentlichen Gründe für den wiederholten Aufschub des Neustarts für Napster war zuletzt auch die Weigerung der grossen Konzerne, der Tauschbörse für ein umfangreiches Musikangebot die benötigten Lizenzen zu erteilen. Von der Napster-Legende ist heute nur noch ein Satz auf der einstigen Homepage verblieben: "Napster was here."