Barcelona - Die Mobilfunk-Branche zeigt sich inmitten der Wirtschaftskrise voller Zuversicht. Obwohl der Handy-Absatz in diesem Jahr erstmals seit 2001 sinken wird, bauen die Unternehmen mit neuen Geräten und Diensten für das erwartete künftige Wachstum vor. "Es ist keine Telekomkrise", fasste der Chef des weltgrößten Telekomausrüsters Ericsson, Carl-Henric Svanberg, am Montag die Stimmung auf dem Mobile World Congress in Barcelona zusammen. Investitionen in Telekom-Infrastruktur könnten auch helfen, die Wirtschaftskrise schneller zu bewältigen, argumentierte der Chef des Mobilfunk-Branchenverbandes GSMA, Rob Conway.
Dabei wird immer deutlicher, dass im Mobilfunk-Markt ein harter Verdrängungswettbewerb mit ungewissem Ausgang bevorsteht. Auslöser ist der Übergang von herkömmlichen
Mobiltelefonen zu sogenannten Smartphones, wie die Mischung aus Handy und Mini-Computer genannt wird. Die Smartphones ermöglichen vor allem den Internet-Zugang unterwegs. Sowohl die Gerätehersteller als auch die Dienste-Anbieter erwarten neue Profitquellen und wollen die Smartphones möglichst schnell im Markt etablieren. Im vergangenen Jahr wurden weltweit rund 160 Millionen Stück verkauft, in diesem Jahr sollen es 190 Millionen sein - bei einem Gesamtmarkt von mehr als einer Milliarde abgesetzter Mobiltelefone.
Dabei läuft der Konkurrenzkampf nicht mehr nur zwischen einzelnen Herstellern, sondern vielmehr zwischen Plattformen, über die sich die Alleskönner-Handys mit Musik, Videos, sowie Spielen und anderen zusätzlichen Programmen befüllen lassen. Auf den Programmen liegt in diesem Jahr der Fokus der Branche. Gleich mehrere große Anbieter kündigten eigene Marktplätze für die Software an: Allen voran Handy-Marktführer Nokia und der Windows-Konzern Microsoft. Sie reagieren auf entsprechende Angebote für Apples iPhone und das Google-Betriebssystem Android. Die sogenannten "App Stores" sind offen - das heißt, praktisch jeder Software-Entwickler kann in ihnen seine Programme anbieten.
"Die Verbraucher wollen Handys, die viele Sachen können", sagte Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo. Die Finnen wollen in den nächsten Jahren die Marktführung gegen die Herausforderer verteidigen.
Auch Microsoft wird von Apple und der Android-Allianz bedrängt. Das Unternehmen will sich die Dominanz seines Windows-Betriebssystem in der Computer-Welt zunutze machen. Microsoft wolle eine einheitliche Plattform schaffen für den Computer, das Handy und das Web, sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer in Barcelona. "Diese Plattform ist Windows." Das neue Betriebssystem Windows Mobile 6.5, das in diesem Jahr auf den Markt kommt, solle sich ähnlich wie der vom PC bekannte große Bruder bedienen lassen, versprach Ballmer.
Die gesamte Branche hofft nun auf einen raschen Aufbau noch schnellerer Mobilfunk-Netze. Die neue Technologie mit der Bezeichnung LTE (Long Term Evolution) soll noch höhere Geschwindigkeiten zur Datenübertragung bieten als heutige Standards wie UMTS. Außerdem wäre es das erste Mal, dass weltweit ein System zum Einsatz kommen würde, betonte Ericsson-Chef Svanberg. Die Milliarden-Investitionen in die neue Infrastruktur hängen derzeit vor allem davon ab, ob die Gewinne der Mobilfunk-Betreiber unter der Krise leiden werden. Deshalb setzt sich die Branche dafür ein, dass Investitionen in die Telekom-Infrastruktur verstärkt Teil der Konjunktur-Maßnahmen der Regierungen werden.
Die Nachfrage der Verbraucher nach den neuen Diensten scheint trotz Wirtschaftskrise da zu sein: Die mobile Internet-Nutzung steht einer neuen Umfrage zufolge vor einem massiven Schub. 41 Prozent der Mobilfunk-Kunden in Europa und 71 Prozent in den USA gehen davon aus, dass sie demnächst täglich unterwegs das Internet nutzen werden, wie eine Umfrage des Marktforschers Nielsen und des Telekommunikations-Dienstleisters Tellabs ergab. Zugleich befürchten die Verbraucher aber auch hohe Kosten, unübersichtliche Tarifmodelle und Schwächen bei der Netzqualität.