Millionen Webcam-Nutzer von Geheimdiensten beobachtet
Stand: 03.03.2014
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London - Die Geheimdienste der USA und Großbritanniens haben offenbar willkürlich und millionenfach Webcam-Aufnahmen von Nutzern des Internetdienstes Yahoo gespeichert. Allein binnen sechs Monaten sollen im Jahr 2008 die Videokameras von mehr als 1,8 Millionen Yahoo-Kunden angezapft worden sein, berichtete die britische Zeitung "The Guardian" am Donnerstag. Im Zuge des Programms namens "Optic Nerve" seien den Ermittlern offenbar auch Nacktaufnahmen der Betroffenen in die Hände gefallen.
Die Zeitung beruft sich auf interne Dokumente des britischen Geheimdienstes GCHQ, die von dem Computerexperten Edward Snowden enthüllt wurden. Diese Unterlagen bezögen sich auf die Jahre 2008 bis 2010, allerdings deute vieles darauf hin, dass die Spähpraxis noch mindestens bis 2012 fortgeführt worden sei. Auch die Kollegen des US-Geheimdiensts NSA hätten durch regelmäßigen Datenaustausch Zugriff auf das Material gehabt.
Wahllos Standbilder von Web-Chats aufgenommen
Dem "Guardian" zufolge wurden offenbar alle fünf Minuten Standbilder vom Videomaterial "wahllos" angezapfter Web-Chats aufgenommen, um Verdächtige im GCHQ-Fokus zu überwachen und neue Ziele aufzutun. Die Metadaten der Videoaufnahmen - also zum Beispiel der Standort der Video-Chat-Teilnehmer und die Gesprächslänge - wurden demnach gezielt durchsucht, Ähnlichkeiten mit den Namen von Verdächtigen reichten zum Einsehen der Bilder aus. Außerdem sei mit Systemen zur automatischen Gesichtserkennung experimentiert worden.
Offenbar auch Nacktaufnahmen ausgewertet
Die Zeitung zitierte zudem aus einem Geheimdienstdokument, in dem sich der Verfasser verblüfft über die sexuelle Freizügigkeit von Chat-Teilnehmern äußerte: "Es trat zutage, dass eine überraschende Zahl von Leuten Webcam-Gespräche dazu nutzt, der anderen Person intime Stellen ihres Körpers zu zeigen."
Yahoo bewertet Vorgehen als "inakzeptabel"
Yahoo reagierte brüskiert auf die Enthüllungen. "Weder wussten wir von diesen angeblichen Aktivitäten noch würden wir sie dulden", teilte das US-Unternehmen mit. "Sollte dieser Bericht zutreffen, wäre das eine komplett neue Dimension der Verletzung der Privatsphäre unserer Nutzer und völlig inakzeptabel."
Geheimdienst haält eigene AKtivitäten für "legal und angemessen"
Der GCHQ bediente sich in seiner Reaktion gegenüber dem "Guardian" einer Formulierung, die schon nach früheren Enthüllungen in ähnlicher Form zum Einsatz gekommen war: Demnach steht die Arbeit des Geheimdienstes stets "im Einklang mit dem strengen rechtlichen und politischen Rahmen, der sicherstellt, dass unsere Aktivitäten legal, notwendig und angemessen sind".
Die "Washington Post" hatte vergangenes Jahr bereits über das Überwachungsprogramm "Muscular" berichtet, mit dem die NSA und der GCHQ heimlich Daten aus Glasfaserkabeln zwischen den Rechenzentren von Google und Yahoo abfangen sollen. Zuvor war das ähnlich arbeitende Programm "Tempora" bekannt geworden, mit dem der GCHQ mutmaßlich auf Daten aus internationalen Seekabeln zugreift.