Microsoft will mit Windows 10 neu durchstarten. Gelingt das?
Stand: 23.07.2015
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Berlin - Die Erwartungen zum Start des neuen Windows-Betriebssystems sind hoch: Nach dem enttäuschenden Vorgängersystem Windows 8 wurde die Nummer 9 übersprungen. Mit der Nummer 10 soll symbolisch neu durchgestartet werden. Windows 10 soll nach dem Willen von Microsoft-Chef Satya Nadella in zwei bis drei Jahren auf einer Milliarde Geräte laufen. Bisher nutzen laut Microsoft rund 1,5 Milliarden Nutzer weltweit Windows-Systeme - quer über alle Versionen. Am 29. Juli beginnt mit der Auslieferung der Desktop-Version des Betriebssystems die neue Windows-Ära.
Beim Neustart von Windows hat Nadella nicht nur traditionelle Personal Computer im Blick: Das neue System soll auf allen Plattformen vom Smartphone bis zu größeren Servern unter der Haube stecken. Bei mobilen Geräten kann Microsoft neue Impulse dringend gebrauchen: Eine Milliarden-Abschreibung auf die teuer gekaufte Nokia-Handysparte handelte dem Konzern gerade seinen bisher höchsten Quartalsverlust von 3,2 Milliarden Dollar ein.
Für eine schnelle Verbreitung hat Microsoft bereits vor Monaten die Weichen gestellt. Ein Jahr lang soll das Upgrade auf das neue System für private Anwender kostenlos zur Verfügung stehen. Das Interesse an Windows 10 soll entsprechend groß sein. "Seit rund neun Monaten läuft unser Insider-Programm, an dem sich fünf Millionen Nutzer beteiligt haben", sagte Microsoft-Manager Oliver Gürtler der dpa. Etwa 250 000 seien es in Deutschland gewesen.
Mit Windows 10 will Microsoft zunächst eine einheitliche Basis im Markt schaffen. "Wir hatten bislang immer eine Fragmentierung", sagte Gürtler. Die verschiedensten Versionen von XP über Windows 7 und Vista bis hin zu Windows 8 seien gleichzeitig in Betrieb gewesen. XP ist selbst nach über 13 Jahren noch immer nicht von allen PCs verschwunden, obwohl bei dem Alt-System offene Sicherheitslücken inzwischen nicht mehr geschlossen werden. Auch beim Umstieg auf Windows 8 hatten viele Nutzer gezögert. Die aktuelle Version 8.1 ist zum Stand April laut Analysefirma Net Application gerade einmal auf gut elf Prozent der Rechner weltweit installiert.
Windows 10 wird es im wesentlichen in vier Versionen geben, in der Home, Pro, Enterprise und Education-Ausgabe. Nutzer der Home-Edition sollen künftig Updates ohne eigenes Zutun automatisch erhalten. Bei den anderen Versionen können sie die Aktualisierungen zum Teil auf später verschieben. Vor allem Unternehmenskunden will Microsoft jedoch Flexibilität einräumen. Sie sollen selbst darüber entscheiden können, wann und auf welchen PCs die Software aktualisiert wird. Sie könnten auch unternehmenskritische Umgebungen definieren, in denen sie die Aktualisierungen selbst durchführen, sagte Gürtler.
Auf Seiten der Unternehmenskunden, die traditionell eher mit zeitlicher Verzögerung auf neue Systeme wechseln, bestehe großes Interesse an Windows 10, sagte Gürtler. 40 Prozent der Kunden hätten vor, innerhalb der ersten 12 Monate auf Windows 10 umzusteigen, 23 Prozent wollten dies in einem Zeitrahmen von zwei Jahren tun.
Windows 10 muss sich allerdings in einem weiter dramatisch schrumpfenden PC-Markt behaupten. Laut IDC ging der Absatz im vergangenen Quartal um 11,8 Prozent zurück. Ob das System das Potenzial hat, dem Markt endlich wieder kräftige Impulse zu liefern, bleibt nun die spannende Frage. Windows 8 hatte das nicht geschafft.
Beim großen IT-Marktforscher Gartner rechnet Analyst Ranjit Atwal diesmal nicht mit einem bedeutenden Schub für das PC-Geschäft. Immerhin werde das neue Betriebssystem dabei helfen, den Absatz zu stabilisieren. Im gerade abgelaufenen zweiten Vierteljahr sackten die PC-Verkäufe laut Gartner noch um knapp zehn Prozent ab. "Windows 8 hat komplett versagt", lautet Atwals schroffes Urteil.
Auch viele Hardware-Hersteller waren angesichts des zähen Starts vor rund drei Jahren darüber enttäuscht, wie wenig das System die Nachfrage beflügelt hatte. Zudem hatte das neue Kachel-Design, das auf die Bedienung über Geräte mit berührungsempfindlichem Display optimiert war, viele langjährige Nutzer verschreckt.
Mit Windows 10 will Microsoft nun offensiv die Nutzer zurückgewinnen. Das unter Windows 8 von vielen vermisste Start-Menü kehrt mit Windows 10 mit neuen Funktionen wieder zurück. Die Oberfläche lässt sich anpassen und auch auf einem Rechner ohne Touch-Bildschirm steuern.
Die digitale Sprachassistentin Cortana soll künftig neue Funktionen bereithalten und etwa bei der Suche, der Terminplanung oder Arbeitsverwaltung selbst über Programm-Grenzen hinweg helfen.
Windows 10 kommt zum Start auch mit einem generalüberholten Browser. "Edge" löst den Internet Explorer ab, auch wenn es diesen noch einige Zeit weiter geben wird. "Edge" erlaubt es etwa, direkt auf Webseiten eigene Notizen zu machen und sie anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Webseiten, die man später lesen will, können in einer Leseliste gespeichert werden. Auch Cortana steht direkt in der Adressleiste zur Verfügung.
Um die ehrgeizigen Ziele für Windows 10 zu erreichen, muss Microsoft verstärkt auf Geräte wie Tablets und Smartphones setzen, auf denen das System bislang trotz vieler Bemühungen noch nicht sehr verbreitet ist. Um mit den App-Angeboten von Android und iOS von Apple konkurrieren zu können, hat Microsoft sein System geöffnet und stellt Entwicklern entsprechende Lösungen bereit, mit denen sie ihre Anwendungen ohne großen Aufwand portieren können sollen.
Windows 10 soll zunächst für PCs, Tablets und den Surface Hub mit seinem 84 Zoll großen Bildschirm herauskommen. Für Windows Phone soll das System im Herbst fertig werden, auf die Spielekonsole Xbox One folgt die Version Ende des Jahres.