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Kundenbewertungen im Netz besser nicht blind vertrauen

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

München/Hamburg (dpa/tmn) - Erst gucken, dann kaufen: Vor größeren Anschaffungen lesen sich viele Verbraucher im Netz schlau. Beliebte Anlaufstellen sind Portale, auf denen andere Kunden ihre Erfahrungen hinterlassen - mit dem gekauften Toaster ebenso wie bei der gebuchten Urlaubsreise. Dass sich dahinter Schleichwerbung von Unternehmen verbergen könnte, wissen viele. Dennoch ist das Vertrauen groß.

Portale, Foren und Weblogs mit Produktbewertungen spielen sogar eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Kaufentscheidungen von Konsumenten zu beeinflussen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmens Consline aus München. Die Hälfte der Befragten recherchiert zweimal pro Monat oder noch häufiger online. Professionelle Testberichte, Informationen von Händlern und Tipps von Freunden spielen demnach dagegen eine untergeordnete Rolle.

Doch in der Schnäppchenjäger-Brust schlagen offenbar zwei Herzen: Obwohl mehr als 40 Prozent die Produkt- und Hotelbewertungen anderer Nutzer für glaubwürdig halten, finden fast zwei Drittel auch, dass der Wahrheitsgehalt sich schwer überprüfen lässt oder sogar bewusst manipuliert sein könnte. Das ist das Ergebnis einer weiteren Studie, der jüngsten "WWW-Benutzer-Analyse W3B" der Marktforscher von Fittkau und Maaß aus Hamburg.

Wie viele der Urteile im Web 2.0 nicht koscher sind, weiß niemand. "Das lässt sich schlichtweg nicht seriös überprüfen", sagt Sascha Langner, Marketingforscher an der Universität Hannover. "Doch viele Hersteller nutzen das mittlerweile. Es gibt spezialisierte Agenturen, die sie im großen Stil beauftragen können."

Den Anreiz zum Schummeln bestätigt die Consline-Umfrage: Online-Empfehlungen für ein bestimmtes Produkt würden jeden zweiten Befragten oft zum Kauf bewegen, während Kritik davon regelmäßig abhalte. Bei gut drei Vierteln der Befragten sei das zumindest gelegentlich der Fall.

Manche Seiten, auf denen Produkte bewertet werden, sind unsicherer als andere. "Je größer die Anonymität, desto anfälliger ist die Quelle für Manipulationen", sagt Langner. Eine Nutzer-Identität ist schnell verschleiert, wenn zum Anmelden eine beliebige Mail-Adresse reicht. Daher seien etwa Foren-Kommentare mit Vorsicht zu genießen.

Sicherer sind Webseiten mit "Reputationsmanagement". Dort können Nutzer sich Profile anlegen. Andere Teilnehmer können abstimmen, ob sie die Erfahrungsberichte hilfreich fanden. Und wer viel über sich preisgibt und Nützliches schreibt, gilt als vertrauenswürdiger.

Viele Internetnutzer, die Erfahrungsberichte suchen, wissen das anscheinend auch. Entsprechend haben Bewertungsportale für Waren und Dienstleistungen, die auf Online-Gemeinschaften setzen, laut Consline die bei weitem größte Bedeutung. Einschlägige Adressen sind http://www.ciao.de, http://www.doyoo.de, http://www.idealo.de oder " target="_blank">http://www.qype.de.

"Missbrauch kann man generell nie ganz ausschließen, er setzt aber eine gehörige Menge krimineller Energie voraus", so Stephan Musikant von der Ciao GmbH aus München. Bei Ciao weit oben in der Trefferliste landen gut bewertete Berichte von Mitgliedern, die schon länger dabei sind. Spontan eingestellte, fingierte Meinungen hätten es deshalb schwer, überhaupt entdeckt und gelesen zu werden. Zudem ziehe eine Redaktion Stichproben, unterstützt durch aufmerksame Mitglieder. "Erfahrene Nutzer erkennen den Marketing-Jargon und melden verdächtige Texte sehr schnell."

Viele Portale würden sich heute besser als früher vor Missbrauch schützen. Doch für clevere Werber sei das keine Hürde, warnt Langner: "Heute bauen Agenturmitarbeiter in mühevoller Kleinarbeit mehrere falsche Identitäten auf und imitieren den Alltagsjargon." Solche Agenturen werden bei Ciao nur "wenige Male" im Jahr enttarnt: "Im Verhältnis müssen wir regelmäßig nur verschwindend wenige auffällige Erfahrungsberichte entfernen", sagt Geschäftsführer Musikant.

"Die Minderheit aller Kundenberichte dürfte gefälscht sein. Die Masse der Konsumenten können einige Schleichwerber einfach nicht übertreffen", schätzt auch Sascha Langner. Wer Beiträge kritisch hinterfragt, kann sich also vor Schönschreibern schützen.

"Ausführliche Bewertungen mit Pro- und Contra-Aspekten sprechen dafür, dass sich echte Käufer mit dem Produkt beschäftigt haben", sagt Jo Bager von der in Hannover erscheinenden Zeitschrift "c’t". Verdächtig seien dagegen euphorische Einträge, die eine Reihe von Verrissen zu korrigieren versuchen.

Laut Carmen Gahmig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in Mainz können Meinungsportale nützlich sein, da dort mitunter Aspekte bewertet werden, die Profi-Tester nicht berücksichtigen. "Wegen der Manipulationsgefahr sollten sie aber nur Ergänzung sein." Mehrere Meinungen aus verschiedenen Quellen mit gesundem Menschenverstand abwägen - das schütze am besten vor Fehlurteilen.