Kabel Deutschland will nach Börsengang große Sprünge machen
Stand: 21.06.2010
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München - Die Geschichte entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Das Netz, durch das für Kabel Deutschland
Das Zauberwort heißt "Triple-Play", Paketangebote aus Fernsehen, Internet und Telefonie aus einer Hand. Die Kabelnetzbetreiber haben ihre Netze aufgerüstet, um sie "rückkanalfähig" zu machen, so dass die Verbraucher auch telefonieren sowie im Internet surfen und nicht nur Fernsehsignale empfangen können. Knapp neun Millionen Haushalte versorgen die Münchner in 13 Bundesländern mit Kabelfernsehen, 80 Prozent der Anschlüsse sind inzwischen fit für die Kombiangebote, bis 2012 sollen es alle sein. Bis jetzt zählt der Konzern gut eine Million Triple-Play-Kunden, Tendenz deutlich steigend.
Das Wachstumspotenzial ist enorm. Zudem versprechen die Paketangebote einen rund dreimal so hohen Umsatz wie das reine Kabelgeschäft. "Wir wollen so viele Kunden wie möglich für Telefon- und Internetdienste werben", kündigte Konzernchef Adrian von Hammerstein jüngst an. Kabel Deutschland habe noch soviel Potenzial in seinem Netz, "dass wir das erstmal abarbeiten müssen." Bis Sommer 2012 sollen alle von Kabel Deutschland mit Internet versorgten Haushalte mit Docsis 3.0 ausgestattet werden, einer Technologie, die Bandbreiten von bis zu 100 Megabit je Sekunde verspricht und damit mit Glasfaseranschlüssen von Telekomfirmen vergleichbar ist.
Nach Meinung der Analysten von JP Morgan wird der Umsatzanteil von Internet und Telefon in den nächsten Jahren kräftig steigen. Rund ein Fünftel der Umsätze von Kabel Deutschland stammten im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr 2009/10 aus Telefon und Internet, in fünf Jahren dürften es nach den Berechnungen von JP Morgan rund 40 Prozent sein. Aussichten, die das Selbstbewusstsein des hoch verschuldeten Konzerns kräftig steigern. Die Telekomunternehmen beobachten diese Entwicklung mit Argusaugen - versuchen sie doch gerade ihre lahmenden Festnetzumsätze mit Internetfernsehen anzukurbeln.
"Die Strategen bei den Telekommunikationsunternehmen sehen in den Kablenetzbetreibern eine der größten Bedrohungen in der nahen Zukunft", sagt Branchen-Experte Robert Stumpf von der Unternehmensberatung Accenture. Noch sind Kabel Deutschland, Unitymedia oder Tele Columbus kleinere Spieler im Telefon- und Internetgeschäft. Doch das kann sich ändern, auch durch Zusammenschlüsse. Übernahmen sind für Kabel Deutschland ein Thema, wenngleich es keine konkreten Pläne gebe, wie von Hammerstein beteuert. Dennoch wird dem Konzern Interesse an vor allem kleineren Anbietern nachgesagt, etwa am Netz der insolventen und zur Versteigerung anstehenden Primacom oder an Tele Columbus.
Allerdings dürften die Wettbewerbshüter Übernahmen sehr genau unter die Lupe nehmen. Finanziell dürften Zukäufe für die Münchner trotz der drückenden Schuldenlast zu stemmen sein, die sich Ende März auf 2,86 Milliarden Euro belief. Vom Börsengang hatte der Konzern zwar nichts, die 760 Millionen Euro flossen komplett in die Taschen der Eigner, zu denen die US-Beteiligungsfirma Providence gehört.
Trotzdem hat das Unternehmen noch Geld auf der hohen Kante: Neben ungenutzten Kreditlinien von mehr als 300 Millionen Euro haben die Kreditgeber dem Unternehmen rund 800 Millionen Euro zugestanden. "Damit wäre sowohl der Kauf von Primacom als auch der von Tele Columbus finanzierbar", sagt die Commerzbank-Analystin Heike Pauls. Zwar würde sich die Entschuldung dadurch um etwa sechs Monate verzögern, wie der Finanzvorstand kürzlich einräumte, doch mit den Übernahmen würde Kabel Deutschland auch neue Umsätze dazukaufen.