Handel mit Nutzerprofilen: Online-Werbung wird immer gezielter
Stand: 10.09.2012
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Köln - Werbebanner im Internet werden immer zielgruppengerechter und gleichzeitig unabhängiger. Ehemals konnten bestimmte Zielgruppen nur über thematisch entsprechende Webseiten angesprochen werden. Heute helfen detaillierte Profile, die Nutzer nahezu überall im Web anzusprechen.
Männlich, 35 Jahre alt, Basisinteressen: Computer, Finanzen, Sport, Produktinteresse: FlatTV, E-Commerce-Verhalten: häufige Einkäufe - so sehen Nutzerprofile für die Online-Werbung aus. Anonymisiert und zu Paketen gebündelt, sind solche Profile die Grundlage für gezielte Angebote in der Online-Werbung, die ihren Kunden verspricht, die gewünschte Zielgruppe ohne Streuverluste zu erreichen. Online-Werbung auf der Grundlage einer intensiven Datenanalyse ist ein zentraler Trend der Kölner Fachmesse dmexco am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche.
"Je mehr Daten man hat, desto eher ist man in der Lage, zielgruppengenaue Kampagnen zu steuern", sagt Paul Mudter, Vorsitzender des Online-Vermarkterkreises (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). "Das muss natürlich immer im Rahmen des Datenschutzes geschehen, die Branche ist da sehr sensibilisiert."
Cookies geben Informationen
Grundlage für das Anlegen von Nutzerprofilen sind häufig Cookies, kleine Textdateien, die beim Besuch bestimmter Webseiten auf dem Computer des Nutzers abgelegt werden. Auf diese Weise können Webseiten zum Beispiel personalisierte Informationen darstellen. Beim Besuch einer Webseite mit Werbung schalten sich oft auch "Adserver" zur Auslieferung der Online-Werbung ein, die ebenfalls ihre Cookies ablegen - und dann analysieren, auf welchen anderen Webseiten sie diese Nutzer ebenfalls angetroffen haben.
"Die Zielgruppen können immer kleiner gefasst werden, wenn bestimmte Interessen miteinander kombiniert werden", erklärt der Branchenbeobachter und Unternehmensberater Christoph Burseg, Geschäftsführer von TRG (The Reach Group) in Hamburg. "Das wird dann auch datenschutzrechtlich sensibel."
Versteigerung in Echtzeit
Die Profile werden in der Werbebranche rege gehandelt, zum Teil auch versteigert. Beim "Real Time Bidding" (RTB) werden Internet-Nutzer anhand ihrer Cookie-Daten erkannt und einem Nutzerprofil zugeordnet, während sie auf beliebigen Webseiten unterwegs sind. Die Möglichkeit, eine bestimmte Zielgruppe in Echtzeit mit Werbung anzusprechen, wird auf einem Auktionsmarktplatz angeboten. Der meistbietende Interessent bekommt den Zuschlag und kann seine Werbung ausspielen.
Für die werbetreibende Wirtschaft sind die neuen Möglichkeiten der Datenanalyse bares Geld wert. Wenn ein Automobilhersteller seine Zielgruppe mit Online-Werbung erreichen will, musste er diese bisher bei den einschlägigen Portalen schalten, die dann entsprechend teuer waren. Mit Hilfe der Profile erreicht er die Zielgruppe nun auch auf ganz anderen Webseiten mit günstigeren Angeboten. "Einmal markiert, ist der Nutzer für jeden zu einem Achtel des Preises buchbar, obwohl es der gleiche Nutzer ist", erklärt Burseg. Entsprechend misstrauisch beäugen die großen Themenportale die Entwicklung zum "Data driven display", zur Bannerwerbung mit den Mitteln der Datenanalyse.
Handel mit Profilen ist umstritten
Öffentlich wird über solche Geschäfte in der Online-Werbung nicht gern gesprochen. "Ich glaube nicht, dass in großem Stil mit Profildaten gehandelt wird", sagt Mudter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Ein Branchen-Insider aber erklärt, etliche Akteure bewegten sich in einer Grauzone. "Da gibt es vieles, was man eigentlich nicht dürfte, was aber durchaus getan wird, solange es keine Urteile dazu gibt."
Besonders wichtig wird die zielgerichtete Werbung auf mobilen Geräten. "Hier sind die Ansprüche ganz andere als auf Webseiten", sagt Stephan Theiß, Geschäftsführer der Gelbe Seiten Marketinggesellschaft. "Das Smartphone ist ein sehr persönliches Medium, da komme ich als Werbetreibender nur schwer rein." Ein Problem sei auch der kleinere Platz, der für Werbung auf dem Display verfügbar sei. "Deswegen ist bei mobiler Werbung viel mehr Kreativität gefordert, man muss dem Nutzer einen Mehrwert bieten." Die App der Gelben Seiten will dies mit der Suche nach Dienstleistungsangeboten in der Umgebung bieten. "Was fehlt, sind Konzepte, die auf die komplett andere Bedienung eines Mobilgeräts eingehen", sagt Bernd Ebert, Technikchef des Analyse-Experten Mindlab Solutions in Esslingen.
Nutzer stören sich nicht an Werbung
Aber auch ohne diese Konzepte boomt die digitale Werbung. Die Fachgruppe Online-Mediaagenturen (FOMA) im BVDW erwarten in diesem Jahr einen Zuwachs von 13 Prozent. Bei 5,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr wären das mehr als sechs Milliarden Euro. Neue Zahlen gibt es zur Fachmesse dmexco, die am Mittwoch und Donnerstag 578 Aussteller und ein Vortragsprogramm mit mehr als 400 Sprechern präsentiert.
Die Geschäftsmodelle mit der zielgerichteten Werbung funktionieren, weil sich weniger Nutzer daran stören, wenn sie die ihnen servierte Werbung interessant finden und vielleicht sogar einen Nutzen davon haben. Bislang akzeptiere der überwiegende Teil der Internet-Nutzer die Cookies, sagt Unternehmensberater Burseg. "Ein Problem würde es erst dann geben, wenn alle großen Browser die Cookies automatisch löschen würden."