Hamburg (dpa) Als die New Economy vor einigen Jahren am Boden lag, waren viele der Meinung, rund um das Internet sei schon alles erfunden worden. Doch seit einiger Zeit verändert sich das Netz: "Mitmachen" lautet die Devise beim Web 2.0. Verleger Tim O’Reilly prägte den Begriff und sprach vom "Web als Plattform". Dabei steht die Kommunikation der Internetnutzer untereinander im Vordergrund. Zugleich ist Web 2.0 bereits zu einem Mode-Begriff geworden, und Pionier O’Reilly beklagte sich, dass viele Unternehmen es als Schlagwort bei ihren Angeboten vorschieben, ohne so recht zu verstehen, worum es überhaupt geht.
Beim Web 2.0 wird das Internet zunehmend von den Nutzern selbst gestaltet und beseelt. Das am weitesten gewachsene Phänomen des neuen Netzes sind die Weblogs, kurz Blogs genannt. Fast 29 Millionen dieser Online-Journale kennt inzwischen die Spezial-Suchmaschine Technorati und jeden Tag kommen tausende neue hinzu. Man muss nicht mehr nur Konsument vorgefertigter Inhalte sein, sondern kann unentwegt neue schaffen - ob durch Weblogs, Fotos in Online-Alben, gemeinsam geschriebenen Artikeln in Enzyklopädien wie Wikipedia oder einfach durch den gegenseitigen Austausch interessanter Links in Diensten wie del.icio.us oder Furl. Zudem laufen Programme im Internetbrowser dank neuer Software-Werkzeuge und schnellerer Leitungen fast so reibungslos wie von der Festplatte. Damit erobert eine neue Qualität von Angeboten das Internet. Webseiten sehen aus wie herkömmliche PC- Software, Bewährtes wird mit Neuem verknüpft und Inhalte werden von allen verbessert.
"Das Neue beim Web 2.0 ist, dass man vorhandenes neu kombiniert", sagt der Redakteur der Computerfachzeitschrift "c’t", Axel Kossel. Bekannte Internet-Techniken würden neu verbunden. Ganz ohne neue Software installieren zu müssen, entstünden neue Möglichkeiten für die Anwender.
Und auch Suchmaschinen-Unternehmen wie Google setzen auf die neuen Entwicklungen und treiben sie sogar voran: Angebote wie Google Earth laden zur virtuellen Weltreise am Computer ein und E-Mail-Angebote im Internet machen klassischen E-Mail-Programmen wie Outlook Konkurrenz. "Webseiten verlieren mit Web 2.0 ihren Webseiten-Charakter", meint "c’t"-Redakteur Kossel. "Das Blättern, das für das Web 1.0 typisch war, entfällt." Stattdessen werden automatisch Teile der Webseite ausgetauscht und nachgeladen.
Hinter vielen dieser Anwendungen steckt eine Technologie namens Ajax (Asynchronous
Java-Script and XML). Die Anzeige einer Website kann also verändert werden, ohne dass die ganze Seite neu geladen werden muss. So können Zusatzinformationen eingeblendet werden oder aber die gerade neu eingetroffene Mail wird angezeigt, ohne dass der Anwender die Seite neu geladen hat.
Hinzu kommt, dass mit dem Einzug von Web 2.0-Anwendungen auch immer mehr Schnittstellen zur Verfügung stehen, um selbst aktiv zu werden: Dienste miteinander zu verknüpfen und weiterzuentwickeln ist mit so genannten APIs (Application Programming Interface) möglich. Vorreiter hierfür war wiederum Google. Viele Anwendungen nutzen die von Google zur Verfügung gestellte Schnittstelle für Kartenanwendungen, um ihre eigenen Programme mit lokalisierten Daten zu versorgen: Ein
Immobilienmakler kann beispielsweise die Lage seiner aktuellen Angebote in einer Karte anzeigen, ein Flughafen die Parkplätze in der Umgebung.
Kossel sieht in den neuen Möglichkeiten erst den Anfang einer Weiterentwicklung des Internet. Die Verfügbarkeit schneller Breitbandverbindungen habe erst die Basis für die neuen Anwendungen geschaffen. "In Zukunft werden weniger die Techniker entscheiden, sondern die Kreativen." Ross Mayfield, Geschäftsführer der Firma SocialText, erklärte es auf einer Web 2.0-Konferenz so: "Web 1.0 war Handel. Web 2.0 ist Leute."