Europäischer Datenschutz gefordert - Kritik an Innenminister
Stand: 28.08.2012
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Kiel/Berlin - Nach Ansicht von Experten müssen europaweite Regelungen mit Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden, um US-Konzerne wie Google und Facebook zu einem besseren Datenschutz zu bewegen. Die Bundesregierung, insbesondere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), stünden hier jedoch auf der Bremse, kritisierten der oberste schleswig-holsteinische Datenschützer Thilo Weichert und Thomas Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, am Montag in Kiel. Müller hielt Friedrich "Arbeitsverweigerung" vor.
Rund 500 Fachleute, Politiker und Unternehmensvertreter diskutierten bei einer eintägigen Sommerakademie in einem Kieler Hotel über "Sozialere Netzwerke im Internet - durch Datenschutz". Eingeladen hatten die Datenschutzakademie Schleswig-Holstein und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD). Die Veranstaltung war bereits vor einem Monat ausgebucht gewesen, so groß war das Interesse.
Ist die Lobbyarbeit der Konzerne zu erfolgreich?
Als Grund für die zögerliche Haltung Berlins für eine europaweit einheitliche Datenschutzregelung vermutet Weichert die Lobbyarbeit amerikanischer Konzerne. Letztlich gehe es darum, ob sich die Politik oder die Wirtschaft mit ihren Interessen durchsetze. Als ein Beispiel kritisierte Müller, dass 36 Klicks notwendig seien, bis ein Facebook-Nutzer persönliche Daten in seinem Profil einigermaßen geschützt habe. Notwendig sei - ähnlich wie im Energiebereich - eine Institution, die wirkungsvoll den Datenschutz kontrollieren könne.
Unterdessen wollen deutsche Verbraucherschützer Facebook zu Änderungen bei seinem App-Zentrum zwingen. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) schickte dem Unternehmen eine entsprechende Abmahnung mit einer Frist bis 4. September. Facebook gebe persönliche Daten der Nutzer an App-Anbieter weiter, ohne dass die Nutzer ihre Einwilligung dazu gegeben hätten, bemängelten die Verbraucherschützer am Montag in Berlin. Nutzer können mit den Anwendungen ihr Profil erweitern, beliebt sind Spiele wie "Farmville" oder "Diamond Dash", aber auch Programme für Musik und Nachrichten.
"Harte Strafen sind nötig"
Bis 2014 soll, wie der Grünen-Abgeordnete im Europa-Parlament, Jan Philipp Albrecht, darlegte, eine bessere europäische Verordnung zum Datenschutz zwischen EU-Kommission und Europaparlament ausgehandelt werden. Üblicherweise blieben dann den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zwei bis fünf Jahre Zeit, diese Regelung national umzusetzen. "Die Bundesregierung tut alles, um diesen Prozess noch nach hinten zu schieben", ergänzte Weichert. Ein besserer Datenschutz mit klaren Informationspflichten von Unternehmen auf dem Papier reicht laut Albrecht nicht aus: "Es muss eine bessere Durchsetzung von Datenschutz garantiert werden, harte Strafen sind nötig."
Die Informatikerin und stellvertretende Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein, Marit Hansen, wies auf die besonderen Gefahren für den Datenschutz speziell durch die technischen Strukturen Sozialer Netzwerke hin. So sei kaum überschaubar, wer mit wem wie vernetzt sei. Das erschwere die Kontrollmöglichkeiten noch zusätzlich. Das Ausmaß der Risiken sei hier noch gar nicht richtig erfasst.
Datenschutz ist nach den Worten des Staatsrechtlers Prof. Albert von Mutius Grundrechteschutz, "und Grundrechte sind Antworten auf Freiheitsgefährdungen". Mutius warnte vor einer nicht mehr steuerbaren Entwicklung, die Gesellschaft stehe an einer Scharnierstelle.
Facebook: "Keine gemeinsame Botschaft"
Gunnar Bender, PR-Direktor von Facebook Germany, verzichtete in Kiel auf die ursprünglich geplante Teilnahme an der Pressekonferenz. Es habe keine gemeinsame Botschaft gegeben, habe Bender als Grund genannt, sagte Weichert. Auf der Tagung hatte Bender sich dafür ausgesprochen, "dass Chancen und Risiken von Social Media in einer konstruktiven Debatte ausgewogen beleuchtet werden, um selbstbestimmt und kompetent über die eigene Nutzung entscheiden zu können." Facebook unterstütze deswegen Initiativen zur Förderung von Medienkompetenz.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) appellierte an alle Beteiligten, sich stärker den Argumenten der anderen zu öffnen. Mit Blick auf die umstrittenen "Fanpages" fordert er Facebook auf, den Datenschutz ernst zu nehmen und zu gewährleisten. Albig kündigte an, die Landesregierung werde ihren Facebook-Auftritt im Internet belassen, aber weiterhin mit einem Warnhinweis versehen. Dies sensibilisiere die Nutzer, halte der Landesregierung und den Bürgern aber die direkte Kommunikation offen.
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