Empörung über Internet-Überwachung des BND
Stand: 17.06.2013
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Berlin - Die Bundesregierung will die Überwachung des Internets trotz der weltweiten Empörung über die amerikanische Datenspionage massiv ausweiten. Dazu hat der Bundesnachrichtendienst (BND) laut "Spiegel" ein 100-Millionen-Euro-Programm aufgelegt, aus dem bis zu 100 neue Mitarbeiter und weitere Computerkapazitäten finanziert werden sollen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dringt zudem darauf, dass sich Fluggäste aus dem Ausland vor ihrer Reise in die EU künftig mit persönlichen Daten im Internet anmelden müssen. Die FDP, Grüne und Linke reagierten empört.
Mit den neuen Kapazitäten will der BND dem Bericht zufolge ähnlich wie die NSA sicherstellen, dass der grenzüberschreitende Datenverkehr möglichst umfassend überwacht werden kann. In einer ersten Tranche habe die Bundesregierung bereits fünf Millionen Euro freigegeben. Im Gesetz ist festgelegt, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst bis zu 20 Prozent der Kommunikation zwischen der Bundesrepublik und dem Ausland auf verdächtige Inhalte prüfen darf. Anders als der US-Geheimdienst NSA speichert der BND allerdings nicht den gesamten Internetverkehr auf Verdacht, sondern siebt die Kommunikation nur.
Friedrich rechtfertigte die Netzüberwachung. "Natürlich müssen auch unsere Nachrichtendienste im Internet präsent sein", sagte der CSU-Politiker dem "Spiegel". Der Staat müsse dafür sorgen, "dass wir Kontrollverluste über die Kommunikation von Kriminellen durch neue rechtliche und technologische Mittel ausgleichen". Beim Koalitionspartner, aber auch in der Opposition stießen die Pläne dagegen auf Ablehnung.
"Die FDP-Fraktion erwartet intelligente Lösungen, um tatsächlichen Gefahren zu begegnen, nicht massenhafte Datensammlungen, die jeden unter Generalverdacht stellen", erklärte Innenexpertin Gisela Piltz. Die Grünen sprachen von einem Ablenkungsmanöver. Der Linke-Politiker Jan Korte erklärte: "Die Kanzlerin kann sich jedes Wort an Präsident Obama zum riesigen Überwachungsskandal durch die NSA sparen, wenn gleichzeitig der BND in dieselbe Richtung marschieren will."
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bereits angekündigt, dass sie das US-Vorgehen beim Besuch von Präsident Barack Obama in Berlin zur Sprache bringen will. Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) verlangt laut "Focus" Aufklärung von den IT-Konzernen, inwieweit sie an der Sammlung von Daten beteiligt sind. Innenminister Friedrich ließ der Regierung in Washington eine Liste mit 16 Fragen zukommen.
Zugleich nahm er die USA vor Kritik aus Deutschland in Schutz: "So geht man nicht mit Freunden um, die im Kampf gegen den Terrorismus unsere wichtigsten Partner sind", sagte er der "Welt am Sonntag".
Auch in einem anderem Punkt nimmt sich der Innenminister die USA zum Vorbild: Fluggäste aus dem Ausland sollen sich nach seinem Willen künftig vor ihrer Reise in die Europäische Union (EU) im Internet anmelden. Dafür ist nach Informationen der "Welt am Sonntag" eine Gebühr von zehn Euro im Gespräch. Ziel soll sein, die Einreise von Terroristen und anderen gefährlichen Personen zu verhindern.
Bundesjustizministerin Sabine-Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte das Vorhaben, für Fluggäste aus dem Ausland in der EU eine Sicherheitsüberprüfung nach US-Vorbild einführen. "Bei aller Notwendigkeit der inneren Sicherheit sollte unsere Politik nicht auf weitere millionenfache Daten setzen", sagte sie der Zeitung "Die Welt". Sie habe große Zweifel, "ob wir die nächsten Datenfriedhöfe anlegen sollten". Leutheusser-Schnarrenberger erinnerte daran, dass man aus deutscher Sicht schon kritisch zum geplanten europäischen Passagierdaten-Abkommen stehe. "Jetzt noch mit weiteren Daten einen draufzusetzen, halte ich für hochproblematisch." Erhebliche Zweifel äußerte die Ministerin auch an BND-Plänen, die Internetüberwachung massiv auszuweiten. "Für mich ist so ein Vorhaben schwer nachvollziehbar. Ich will wissen, ob da mit neuem technischen Aufwand in einer anderen rechtlichen Dimension gearbeitet werden soll."
Facebook veröffentlichte unterdessen erstmals Zahlen zu Anfragen amerikanischer Behörden nach Nutzer-Daten. Demnach musste das weltgrößte Online-Netzwerk im zweiten Halbjahr 2012 zwischen 9000 und 10 000 solcher Anträge beantworten. Sie betrafen zwischen 18 000 und 19 000 Mitglieder-Profile. Der Bundesnachrichtendienst hat 2011 fast 2,9 Millionen E-Mails und SMS wegen des Verdachts auf Terrorismus, Waffen- oder Menschenhandel überprüft. Das geht aus einem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages hervor, der Anfang April bekanntwurde. Demnach stieß der BND bei seiner Suche aber nur in 290 Fällen auf "nachrichtendienstlich relevantes Material".