Dropshop: Offline bei ebay versteigern
Stand: 15.03.2004
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
München (dpa/lby) - Jeden Abend um 18.50 Uhr steigt Gerry Haags Adrenalinspiegel. Dann geht es in wenigen entscheidenden Minuten ums Ganze: Werden die gebrauchten Lagerfeld-Schuhe ein Verkaufsschlager? Treibt ein Anonymus den Preis für die wertvolle Enzyklopädie noch mal in die Höhe? Haag sitzt vor dem Computerbildschirm, auf dem das bunte eBay-Logo verheissungsvoll flimmert: "Natürlich bin ich gespannt, wie meine Kunden abschneiden. Aber eigentlich verkaufen sich unsere Objekte immer gut."
Anfänger büffeln die Grundlagen des Kult-Handels in Volkshochschulkursen, Ausgebufftere belegen Seminare an der eBay- University, die als Wanderzirkus durch die Lande tourt. Manchen ist das alles aber auch zu aufwändig - sie bringen ihre Ware einfach ins Dropshop. "Kaufen bei eBay ist leicht, Verkaufen schon viel schwerer", sagt Haag. Schliesslich müsse der Verkäufer seine Ware fotografieren, das Bild ins Netz stellen, eine Beschreibung verfassen, die Auktion verfolgen, das Geld eintreiben und den Verkaufsgegenstand schlussendlich verpacken und verschicken - "mir persönlich war das immer zu stressig".
So gründete der Ex-Amazon-Manager mit zwei Kollegen den Dropshop nach amerikanischem Vorbild: Der Kunde bringt seine Ware, der Laden erledigt den Rest und bekommt dafür 20 bis 30 Prozent Provision. "Den Leuten geht es oft gar nicht so sehr ums Geld, die sind froh, wenn ihr Dachboden entrümpelt wird", sagt Haag und zeigt stolz sein Lager, in dem sich Biedermeierbetten und Fahrräder, rare AEG-Kaffeemaschinen und Handys ein Stelldichein geben.
"Wir wollen den Leuten einen Service bieten, der ihnen das Leben erleichtert." Um den Überblick zu behalten, hat Haag eine eigene Software entwickelt, mit der er die Produkte scannt. In seinem Fotostudio wird die Ware, die mindestens 50 Euro wert sein muss, fachmännisch fotografiert, und ohne mit der Wimper zu zucken, verschickt der Geschäftsmann eine antike Kaminuhr bis nach Australien: "Das Risiko beim Transport trage ich."
Die clevere Idee scheint sich offenbar auszuzahlen. Seit der Geschäftsgründung im Dezember haben Haag und seine neun Angestellten rund 5000 Objekte versteigert und etwa 500 Kunden betreut, von der Rentnerin ohne Computer bis zum Computerspezialisten ohne Musse. Am 1. März eröffnet der zweite Dropshop in München, denn der Bedarf sei gross, meint der Profi-Händler: "Mir hat neulich erst eine Kundin gesagt: Herr Haag, Sie schickt der Himmel. Endlich kann ich auch mitreden, wenn alle von ihren eBay-Auktionen schwärmen!"