Datenschutz: Schufa will bei Facebook schnüffeln
Stand: 08.06.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
Wiesbaden - Wer einen Kredit beantragt, kommt an der Schufa nicht vorbei. Unternehmen oder Vermieter prüfen anhand der Schufa-Daten, ob ihr Vertragspartner solvent ist. Nun will die Auskunftei auch im Internet die Kreditwürdigkeit der Deutschen durchleuchten. Sie lässt derzeit untersuchen, wie sie in sozialen Netzwerken wie Facebook Informationen über Verbraucher sammeln kann. Datenschützer schlagen Alarm.
Die Schufa bestätigte am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dapd Medienberichte, wonach es solche Pläne gibt. Das Wiesbadener Unternehmen begründet seine Onlineaktivitäten mit rein wissenschaftlichem Interesse: Die Auskunftei wolle mit dem Projekt, das sie sich nach NDR-Informationen 200.000 Euro kosten lässt, lediglich einen "Beitrag zur öffentlichen Diskussion über das Internet leisten", sagte Schufa-Sprecher Andreas Lehmann. Deshalb habe sie das Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam (HPI) beauftragt, Projektvorschläge zu entwickeln.
Schufa spricht von Grundlagenforschung
Dass die im Internet gewonnenen Daten künftig auch systematisch zur Bonitätseinstufung der rund 66 Millionen bei der Schufa registrierten Menschen genutzt werden könnten, wollte der Sprecher der Auskunftei nicht bestätigen. Die Beschäftigung mit dem Internet geschehe zunächst "im streng wissenschaftlich-analytischen Rahmen", als "Grundlagenforschung", die ergebnisoffen betrieben werde.
Dass es in Wahrheit jedoch bald darum gehen könnte, persönliche Beziehungen zwischen Internetnutzern und weiteren im Facebook-Profil hinterlegten Informationen sowie Textbeiträgen zur Bewertung der Kreditwürdigkeit zu nutzen, fürchten nicht nur Datenschützer wie der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert. Er vermute, "dass Informationen, die beiläufig ins Netz gestellt worden sind, systematisiert werden sollen", sagte Weichert der Zeitung "Die Welt" (Donnerstagausgabe).
Intern macht die Auskunftei aus dem eigentlichen Ziel ihrer Onlineaktivitäten offenbar keinen Hehl. In einem vertraulichen Dokument, aus dem der NDR im Internet zitiert, heißt es: "Aus dem Web generierte Informationen" sollten "durch Schufa mit anderen Informationen verknüpft und aus Business-Sicht bewertet" werden. "Auf diesem Weg soll ein Pool von aus dem Internet generierten und regelmäßig aktualisierten Informationen entstehen, der von der Schufa für existierende und künftige Produkte eingesetzt werden soll", heißt es laut Bericht in dem Dokument weiter.
Angst vor "Unfug" und falschen Schlüssen
Die ersten Ergebnisse des auf zwei Jahre angelegten Projekts, für das nach Schufa-Angaben am HPI zwei Vollzeitstellen geschaffen worden sind, sollen im September veröffentlich werden. Es könne aber auch sein, "dass gar nichts Relevantes herauskommt", sagte Schufa-Sprecher Lehmann. Sein Unternehmen wolle lediglich einen Beitrag dazu leisten, "die gesellschaftlichen Chancen und Risiken der Informationsquelle Web wissenschaftlich zu hinterfragen".
Interessenvertreter der Internetnutzer bleiben dennoch skeptisch. Das Projekt zeige "klar die Richtung, in die bei der Schufa gedacht wird: Deine Freunde und dein Status sind Deine Bonität", teilte Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft, per Twitter mit. Das erinnere "nicht ohne Grund" an Wohnumfeldbonitäten, "wo zum Beispiel aus der Bonität der Nachbarn auf die eigene geschlossen wird. Wir sind besorgt, dass hier Unfug getrieben wird", schreibt Beckedahl.
Besorgt äußerte sich auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). "Besonders prekär" sei, "dass nach den bisher bekannten Plänen auch gezielt auf privat eingestellte Daten zugegriffen" werden solle, sagte vzbv-Referentin Carola Elbrecht auf dapd-Anfrage. Sie sehe die Gefahr, "dass aus den Profilen in sozialen Netzwerken auch schnell falsche Schlüsse gezogen werden können".
Update: Das Facebook-Projekt der Schufa ist nach der massiven Kritik von Politikern und Datenschützern abgesagt worden. Das Hasso-Plattner-Institut, das erforschen sollte, inwieweit Informationen aus dem Internet bei der Bewertung der Bonität helfen können, kündigte nach eigenen Angaben den Vertrag. Angesichts mancher Missverständnisse in der Öffentlichkeit über den vereinbarten Forschungsansatz und darauf aufbauender Reaktionen könne ein solches wissenschaftliches Projekt nicht unbelastet und mit der nötigen Ruhe durchgeführt werden, erklärte HPI-Direktor Christoph Meinel am Freitag.