Das Handy als Staumelder - Wie Verkehrsinfos besser werden sollen
Stand: 23.12.2008
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München/Bonn - Staus und Verkehrsbehinderungen sind für Autofahrer ein lästiges Ärgernis. Das gilt umso mehr, da auf die derzeitigen Warnsysteme nicht immer Verlass ist - weder auf die Verkehrsdurchsagen der Radiosender noch auf die Meldungen der Navigationssysteme. Oft kommen Stauwarnungen zu spät - etwa wenn die Gewarnten schon im Stau stehen -, sind zu ungenau oder für bestimmte Streckenabschnitte gar nicht verfügbar. Das soll sich nach dem Willen der Verkehrsservice-Anbieter nun ändern: Sie wollen ihre Warndienste verbessern und dafür auch auf Daten von Handy-Nutzern zurückgreifen.
So will der ADAC seinen Dienst «Stau-Scanner», der sich bislang im Test befand, künftig flächendeckend anbieten. Teilnehmer können dabei einen Stau per Handy an den Automobilclub melden. Dieser lässt dann die Informationen in den kostenlosen TMC-Service einfließen, erklärt Markus Bachleitner, Leiter Entwicklung Verkehrsinformationsdienste beim ADAC in München. Die Informationen dieses «Traffic Message Channel» werden zum Beispiel über Radiostationen verbreitet.
Handy-Staumelder erhalten vom ADAC kostenlos eine Software, die auf das Gerät gespielt wird. Voraussetzung ist laut Bachleitner ein Handy mit GPS-Empfänger und Touchdisplay - damit die Staumeldung unterwegs ohne Risiko per Fingertipp erfolgen kann. Registriert das Programm ein Absinken der Geschwindigkeit unter ein bestimmtes Tempo, fragt es den Fahrer, ob er einen Stau melden will. Das geschieht per Mobilfunkverbindung, wobei der ADAC die Kosten übernimmt. Der Fahrer kann auch Zusatzinformationen zur Stau-Ursache sowie «veraltete» Stauwarnungen als erledigt übermitteln. «Ziel ist es, so viele Informationen wie möglich zu geben, damit Autofahrer eine bessere Entscheidungsgrundlage haben, wie sie reagieren», sagt Bachleitner.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Unternehmen T-Systems Traffic aus Bonn bei der Erweiterung des kostenpflichtigen Verkehrsservices TMCpro. Dieser Service erfasst über eigene Sensoren Daten zum Verkehrsgeschehen auf Autobahnen und speist sie zum Beispiel in Navigationssysteme ein. Die Lizenz zum Bezug dieser Informationen bezahlen Kunden in der Regel bereits beim Kauf eines Gerätes mit. Das Unternehmen will nach eigenen Angaben von 2009 an auch mit Hilfe von Mobilfunkdaten vor Verkehrsbehinderungen warnen.
Allerdings geschieht das automatisch, ohne dass der Handy-Nutzer selbst aktiv werden muss. Der Verkehrsinformationsdienst will vielmehr die Bewegungsprofile von mehr als 17 Millionen Handys auswerten. Dabei werden beim Durchqueren einer sogenannten Funkzelle die anonymisierten An- und Abmeldevorgänge der einzelnen Mobiltelefone analysiert und die Daten mit dem Straßennetz und mit Informationen aus anderen Quellen abgeglichen. Auf diese Weise sollen sie «ein Abbild des aktuellen Verkehrsflusses» liefern, heißt es. Und das soll nicht nur auf Autobahnen, sondern auch auf Bundes- und Landstraßen möglich sein.
Das kündigt auch Tomtom für eine neue Generation von Navigationssystemen an. Der Gerätehersteller bietet für seine interaktiven Live-Modelle einen Verkehrsservice, für den in ähnlicher Weise die Daten von Vodafone-Mobilfunkkunden ausgewertet werden. Diesen Service nutzt das Unternehmen bereits in den Niederlanden.
Weil bei der «Floating Phone Data» genannten Technologie große Datenmengen übertragen werden, lässt sich der neue Service laut T-Systems Traffic jedoch nicht komplett über den bislang genutzten TMC-Kanal des FM-Radiosignals RDS übertragen. Vollständig verfügbar sein soll er über digitale Übertragungskanäle, die genug Bandbreite bieten. Viel verspricht sich der Anbieter auch von sogenannten Connected Devices, einer neuen Navi-Generation, bei der eine SIM-Karte das Senden und Empfangen der TMCpro-Daten übernimmt. Autofahrer sollen damit «zuverlässig» und «nahezu in Echtzeit» Warnungen erhalten.
Stauforscher Prof. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen ist jedoch skeptisch, was solche Aussagen anbelangt. «Inwieweit die Qualität wirklich höher ist, muss man abwarten», sagt der Verkehrsexperte. Sie sei unter anderem davon abhängig, wie viele Handy-Daten tatsächlich ausgewertet werden können. «Die Wertigkeit dieser Informationen hängt außerdem von der Größe der Mobilfunkzelle ab.» Die Zellen sind in ländlichen Regionen größer als in Städten - und damit ungenauer für Rückschlüsse auf den Verkehrsfluss.
Hinzu kommt bei der Verkehrsinformation per Zellortung ein weiteres Problem: «Sie haben immer nur Vergangenheitsdaten. Sie wissen nicht, wie sich das Staugeschehen entwickeln wird», sagt Schreckenberg. «Die eigentliche Kunst liegt in den Algorhythmen» - also in den Rechenmodellen, die auf der Grundlage aktueller Verkehrsinformationen hochrechnen, ob und wie sich ein Stau entwickelt und wie lange es dauert, bis dieser sich wieder auflöst.
Solche Verfahren würden jedoch entwickelt, sagt ADAC-Experte Bachleitner. Er glaubt, dass Autofahrer schon bald von den nächsten Schritten profitieren: «Es wird derzeit sehr intensiv an der Verbesserung der Verkehrsdaten gearbeitet. Es wird sich im nächsten halben Jahr in Sachen Qualität viel tun. Dazu trägt sicherlich auch die Konkurrenz der einzelnen Systeme untereinander bei.»