Arbeitgeber bewerten: Schmähkritik und Geheimnisverrat sind tabu
Stand: 27.06.2011
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Berlin - "Mein Chef ist ein Vollidiot!" - das haben viele Angestellte schon einmal gedacht. Direkt ins Gesicht würden sie ihm das natürlich nie sagen. Im Netz hat der eine oder andere da schon weniger Hemmungen. Darauf setzen Seiten wie Kununu.com, Jobvote.com oder Meinchef.de: Auf solchen Bewertungsportalen dürfen Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber einmal richtig die Meinung geigen - kostenlos und anonym. Schmähkritik ist aber tabu: Wer Vorgesetzte öffentlich beleidigt oder Firmengeheimnisse verrät, riskiert seinen Job.
Die Bewertungen drehen sich dabei nicht nur um den Chef allein. Auch für das Betriebsklima, den Lohn, die Aufstiegschancen und das Angebot an Weiterbildungen dürfen Mitarbeiter Noten vergeben. "Die Arbeit ist Knochenarbeit" beschwert sich etwa ein Nutzer der Seite Evaluba.com. "Es werden ständig finanzielle Versprechungen gemacht, die nie eingehalten werden", klagt ein anderer auf Kununu.com. Und ein Dritter will sogar "Spitzel unter den Kollegen" bemerkt haben.
Das soll zum Beispiel Bewerbern helfen, sich ein Bild von einer Firma zu machen, in der ein Job frei wird. So ermöglichten die Bewertungen einen Blick "hinter die Kulissen der Unternehmen", erklärt Per Hlawatschek von der Seite Meinchef.de.
Positive und negative Einträge halten sich die Waage
Die Idee: Über das Internet sollen Außenstehende Dinge aus erster Hand über die Firma erfahren. Und sie sollen die ehrliche Meinung von Mitarbeitern hören. Von der Kritik kann auch der Chef etwas haben: Er erfahre so, was die Mitarbeiter wirklich denken, erklärt Johannes Knausenberger von der Seite Evaluba.com. "Es ist eben einfacher, das anonym zu äußern, als es dem Chef ins Gesicht zu sagen."
Einige Anbieter sehen ihre Bewertungen sogar als eine Art neues Prüfsiegel für arbeitnehmerfreundliche Firmen an: Jobvote.com etwa bezeichnet sich als die "Stiftung Warentest" für Arbeitgeber. Knausenberger ist da bescheidener: "Das ist natürlich subjektiv und nicht objektiv." Schlechte Bewertungen seien daher mit Vorsicht zu genießen. Eine reine Mecker-Ecke soll das Ganze zudem nicht sein, sagt Knausenberger. Und es sei auch nicht so, dass Nutzer nur ihren Frust ablassen - positive und negative Einträge hielten sich in der Praxis in etwa die Waage.
"Das Internet ist kein rechtsfreier Raum"
Alles erlaubt ist ohnehin nicht beim Bewerten des Chefs im Netz. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum", warnt der Rechtsanwalt Michael Eckert aus Heidelberg. Gegen schlechte Noten allein könne ein Arbeitgeber zwar nicht vorgehen. Schmähkritik und unwahre Behauptungen bringen einem aber leicht Ärger ein. So dürften Arbeitnehmer nicht einfach "Die zahlen nie pünktlich" oder "Mein Chef ist ein Steuerhinterzieher" schreiben, wenn das nicht stimmt, erklärt Eckert, der Vorstandsmitglied vom Deutschen Anwaltverein (DAV) ist. Solche Verleumdungen oder üble Nachrede könnten eine Abmahnung nach sich ziehen. "Schlimmstenfalls droht sogar die fristlose Kündigung."
Außerdem können solche Vergehen strafrechtlich geahndet werden: Auf eine Beleidigung etwa stehen eine Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Haft, auf eine öffentliche Verleumdung sogar bis zu fünf Jahre im Gefängnis.
Das wissen auch die Anbieter: Die Macher von Kununu.com etwa verbieten ausdrücklich "diskriminierende, beleidigende, rufschädigende, rassistische und vulgäre Aussagen", wie das Unternehmen auf seiner Webseite erläutert. Auch das Veröffentlichen von Firmeninterna ist gegen die Regeln.
Für ihre Einhaltung gibt es Sicherheitsvorkehrungen: "Jeder frei formulierte Kommentar wird von uns manuell gesichtet und freigeschaltet", sagt Hlawatschek von Meinchef.de. Auch andere Anbieter versprechen das. Verstößt ein Eintrag gegen die Regeln, müsse der Nutzer ihn vor einer Freischaltung überarbeiten, ergänzt Knausenberger.
Bei Strafanzeige nützt auch ein Pseudonym nichts
Beschäftigte dürfen dabei nicht glauben, dass sie sich im Netz einfach hinter ihrem Pseudonym verstecken können. So sollten sie sich nicht von der scheinbaren Anonymität des Webs zu maßlosen Äußerungen verleiten lassen, rät Eckert. Bei einer Strafanzeige könne ein Gericht anordnen, dass der Anbieter die Nutzerdaten herausgeben muss.
Und selbst wenn das nicht passiert, kann Nutzern Ärger im Job drohen. Denn unter Umständen reiche schon der begründete Verdacht einer Straftat für eine Kündigung aus, erklärt Eckert. Das wäre etwa der Fall, wenn jemand den Ruf der Firma schädigt, indem er über vertrauliche Details schreibt, die außer ihm kaum ein Mitarbeiter kennen kann. Sprechen solche Indizien dafür, dass zum Beispiel einer von zwei Buchhaltern der Firma hinter einem Eintrag stecken muss, dürfe der Arbeitgeber den Verdächtigten mit der Begründung entlassen, dass das Vertrauensverhältnis zu ihm zerstört sei.
Meinungsfreiheit hat Grenzen
Arbeitnehmer können sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung berufen, wenn sie ihren Chef im Internet bewerten. Dennoch gibt es Grenzen - etwa wenn das Persönlichkeitsrecht des Chefs verletzt wird. "Sachliche Kritik ist in der Regel erlaubt", erklärt Eckert. Persönliche Beleidigungen sind dagegen tabu. Es spreche also nichts dagegen, eine Entscheidung vom Chef mit den Worten "Damit war ich überhaupt nicht einverstanden" oder "Das finde ich falsch" zu kritisieren. Ihn öffentlich einen Schwachkopf zu nennen, geht dagegen nicht.