Anonymität im Netz abschaffen? Innenminister in der Kritik
Stand: 08.08.2011
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Berlin - Die Idee des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich (CSU), der Anonymität radikaler Blogger im Internet ein Ende zu setzen, ist parteiübergreifend auf Kritik gestoßen. So sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz, es sei "unglaublich naiv", wenn Friedrich glaube, die Probleme mit dem Extremismus auf diese Weise in den Griff zu bekommen.
Auch in der Regierungskoalition wird bezweifelt, ob sich der Vorschlag umsetzen ließe. Burkhardt Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte der "Berliner Morgenpost" (Montag), die Forderung sei illusorisch: "Kommentare und Blogs sind im weltweiten Netz nicht kontrollierbar. Jeder kann sich eine E-Mail unter falschem Namen zulegen. Wie will Herr Friedrich das bitte überprüfen?" Für die Umsetzung fehle es allein schon an Personal: "Sie können nicht Millionen Einträge mit einer Handvoll Mitarbeiter überwachen."
Der netzpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, kritisierte: "Herr Friedrich kann nicht einmal in Deutschland für einen angemessenen Datenschutz sorgen, und jetzt will er global die Anonymität im Internet abschaffen. Das ist schlichtweg nicht möglich." Der SPD-Experte Lars Klingbeil verwies darauf, dass schon jetzt strafrechtlich relevante Beiträge im Netz verfolgt würden. "Das Problem sind eher Kommentare, die noch nicht strafbar sind, aber extreme Inhalte aufweisen", sagte Klingbeil der Zeitung.
In der "Berliner Zeitung" (Montag) sprach von Notz von einer "wohlfeilen Nebelkerze" des Bundesinnenministers. Klingbeil warf Friedrich in dem Blatt "Profilierung im Sommerloch" vor. Unter Hinweis auf das Massaker in Norwegen mit 77 Toten hatte Friedrich einen Vorstoß zur Abschaffung der Anonymität von Bloggern im Internet unternommen. "In der demokratischen Auseinandersetzung streiten wir mit offenem Visier auf Basis unserer verfassungsmäßigen Spielregeln. Warum sollte das im Internet anders sein", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Friedrich ging selbst davon aus, dass ihm dieser Vorstoß "in der Netzgemeinde wüste Beschimpfungen einbringen wird". Tatsächlich meldete sich umgehend die Piratenpartei, die sich für Freiheit im Internet einsetzt. Die Möglichkeit, sich anonym zu äußern, sei Voraussetzung für eine echte Meinungsfreiheit. "Herr Friedrich greift hier einen der Grundpfeiler unserer Demokratie an", sagte der Parteivorsitzende Sebastian Nerz.
Als "Ausdruck von Hilfslosigkeit" wertete der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz die Überlegungen des Ministers. "Der Gedanke ist ja menschlich durchaus sympathisch", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag). "Aber das internationale Netz entwickelt sich weltweit naturwüchsig und richtet sich nicht nach der Meinung des deutschen Innenministers oder anderer wohlgesinnter Zeitgenossen." Es sei "unglaublich naiv", wenn Friedrich glaube, die Probleme mit dem Extremismus auf diese Weise in den Griff zu bekommen.
Das Bundesinnenministerium hat zwischenzeitlich auf die Kritik reagiert: Nach eigenen Angaben gebe es keine Pläne, gegen die Anonymität im Internet vorzugehen. Es wäre ein Missverständnis, die Äußerungen von Minister Hans-Peter Dietrich (CSU) in einem "Spiegel"-Interview so zu interpretieren, sagte ein Sprecher am Montag auf Anfrage. Friedrich habe sich lediglich für eine demokratische Streitkultur im Netz ausgesprochen. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass es auch im Internet durchaus Bereiche gebe, in denen Anonymität sinnvoll sei. Es gehe nicht um eine gesetzliche Pflicht, sich im Netz überall auszuweisen zu müssen.