An der Vorratsdatenspeicherung scheiden sich die Geister
Stand: 17.01.2011
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Berlin - Der Streit in der Bundesregierung über die Vorratsdatenspeicherung geht weiter. Das Bundesinnenministerium beurteilt dazu vorgelegte Eckpunkte von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) "verhalten bis kritisch", wie ein Sprecher am Montag erklärte. "In der Sache sind wir nicht ganz so begeistert." Das Ministerium fürchtet, dass eine effektive Kriminalitätsbekämpfung erschwert werde. Der Opposition gehen die Vorschläge hingegen zu weit.
Die ursprüngliche Regelung verpflichtete Telekommunikationsfirmen und Internetprovider dazu, die Daten von Telefon-, E-Mail- und Internetverbindungen aller Bundesbürger ohne konkreten Anlass vorsorglich sechs Monate lang zu speichern. Auf eine Verfassungsklage von rund 35.000 Personen hatten die Karlsruher Richter das Gesetz im vergangenen Jahr jedoch für nichtig erklärt.
Das Justizministerium präsentierte nun Eckpunkte für eine Neuregelung, die im Wesentlichen auf dem sogenannten Quick-Freeze-Verfahren basieren. Künftig sollen Daten demnach nur noch im Einzelfall gespeichert werden. Die Politik macht sich hierbei zunutze, dass die Telekommunikationsunternehmen die Verbindungsdaten für interne Zwecke ohnehin für eine bestimmte Zeit sichern; manche nur ein paar Tage, andere bis zu mehreren Monaten.
"Wo nichts ist, kann man nichts einfrieren"
Die Union will diesen Kompromiss aber auf keinen Fall mittragen. Der Sprecher des Innenministeriums kritisierte, was nicht gespeichert worden sei, könne später auch nicht aufgetaut werden. Die Eckpunkte blieben hinter dem zurück, was das Bundesverfassungsgericht als zulässig erachtet habe und auch hinter den Anforderungen der EU-Richtlinie, auf die das ursprüngliche Gesetz zurückging. Die Vorschläge entsprächen "nicht einer effektiven Kriminalitätsbekämpfung" und seien auch dem Schließen von Schutzlücken nicht dienlich. Aus Sicht des Innenministeriums besteht weiterhin großer "Prüf- und Diskussionsbedarf".
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), beklagte ebenfalls, dass das Prinzip nicht funktioniere. "Wo nichts ist, kann man auch nichts einfrieren", sagte er und fügte hinzu: "Wir werden den Vorschlag so mit ziemlicher Sicherheit nicht übernehmen."
Ähnlich äußerte sich auch der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann. Das "schnelle Einfrieren" von Verbindungsdaten sei durch Entwicklung zu Pauschaltarifen für Mobiltelefone und Internetzugänge technisch überholt. Welche Daten, wenn überhaupt, bei den Anbieterunternehmen gesichert würden, bleibe ohne weitergehende gesetzliche Regelung dem Zufall überlassen. "Wo für Abrechnungs- oder andere Zwecke gar nichts mehr gespeichert wird, gibt es auch nichts einzufrieren", sagte auch Busemann.
Opposition kritisiert Einknicken der Ministerin
Auch Vertreter der Opposition äußerten sich unzufrieden. Die Grünen warfen Leutheusser-Schnarrenberger vor, umgekippt zu sein. "Obwohl die Speicherverpflichtung kurz ist und sich lediglich auf die IP-Adresse bezieht, zeigt sich hier dennoch eine Abkehr von der generellen rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz. "Es ist zu befürchten, dass schon in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner die quantitativen Instrumente massiv erweitert werden."
Der Linken-Politiker Jan Korte beklagte: "Wer anlasslos Daten auf Vorrat speichert, betreibt eine klassische Vorratsdatenspeicherung - ob es sich nun um sieben Tage oder sechs Monate handeln mag." Zudem bezeichnete er auch das Quick-Freeze-Verfahren als inakzeptabel.
Leutheusser-Schnarrenberger betonte, dass die FDP eine Regelung ablehne, "die anlasslos die Kommunikation aller Bundesbürger zu überwachen hilft". Bei den nun vorgelegten Vorschlägen handle es sich eben nicht um Vorratsdatenspeicherung. "Das ist ein grundrechtsschonender Ansatz, aber das wird zweifellos in der Koalition umstritten sein", räumte sie ein.