Amazon investiert nahezu den kompletten Gewinn
Stand: 27.07.2012
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New York/München - Warum sparen, wenn man das Geld auch investieren kann? Nach diesem Motto wirtschaftet das Online-Versandhaus Amazon nun schon seit längerer Zeit. Ob die Strategie aufgeht, wird die Zukunft zeigen.
Der weltgrößte Online-Einzelhändler Amazon investiert massiv in weiteres Wachstum und bescheidet sich deswegen beim Gewinn: Im vergangenen Quartal blieben unterm Strich nur 7 Millionen Dollar (5,7 Mio Euro) übrig, deutlich weniger als ein Jahr zuvor mit 191 Millionen Dollar. Ursachen sind gestiegene Kosten und Investitionen wie der Kauf des Industrieroboter-Spezialisten Kiva Systems. Der Umsatz im zweiten Quartal stieg im Jahresvergleich kräftig um 29 Prozent auf 12,83 Milliarden Dollar, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte.
Digitaler Content, Hardware und Infrastruktur
"Wir investieren in den Ausbau von digitalem Content, in die Hardware für digitalen Content und wir investieren in die Infrastruktur", sagte Deutschland-Geschäftsführer Ralf Kleber am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Wenn Amazon aufhören würde zu investieren, liefe das Unternehmen Gefahr, schnell überholt zu werden. "Der Zustrom von Kunden und das Wachstum in allen einzelnen Segmenten bestätigen uns, dass wir auf einem guten Weg sind."
Amazon hatte sich auch früher schon bereit gezeigt, Gewinne für die Ausweitung des Geschäfts oder den Ausbau der technischen Infrastruktur zu opfern. Finanzchef Tom Szkutak sprach in der Telefonkonferenz nach Vorlage der Zahlen von Investitionen in die Zukunft. Das Unternehmen steckt gerade viel Geld unter anderem in seine Tablet-Computer und E-Book-Reader sowie die Entwicklung der Online-Dienste. Vor allem der Tablet-Rechner Kindle Fire gilt als Zuschussgeschäft. Zuletzt wurde über anstehende neue Fire-Modelle mit einem größeren Bildschirm spekuliert. Wann der Kindle Fire auch in Deutschland auf den Markt kommt, lässt das Unternehmen bislang offen.
Keine Aufschlüsselung der Investitionen
Wohin genau das Geld im zweiten Quartal gegangen ist, schlüsselte Amazon nicht auf. Das Unternehmen sprach aber von einem Verlust von 65 Millionen Dollar aus dem 775 Millionen Dollar schweren Kauf von Kiva Systems, eines Spezialisten für Lagerhallen-Automatisierung.
Außerdem wies die Bilanz unter anderem deutlich höhere Ausgaben für "Technologie und Inhalte" aus, knapp 1,1 Milliarden Dollar gegenüber 700 Millionen Dollar vor einem Jahr. Außerdem hatte Amazon in diesem Jahr den Aufbau 18 neuer Logistik-Zentren angekündigt, davon seien 6 bereits in Betrieb.
Neue Versandzentren in Deutschland
In Deutschland kommen in diesem Jahr neue Versandzentren in Koblenz und Pforzheim hinzu. Dort werden jeweils 1000 Mitarbeiter eingestellt. Außerdem will Amazon nach Angaben Klebers mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft rund 20 000 Saisonarbeitskräfte einstellen, doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.
Für das laufende Quartal rechnet Amazon mit einem operativen Verlust von 50 bis 350 Millionen Dollar. Die Marktexperten hatten ein Plus erwartet. Auch Gewinn und Umsatz im vergangenen Quartal verfehlten die Analysten-Erwartungen. Die Aktie legte nachbörslich um mehr als ein Prozent zu, nachdem sie zunächst um sieben Prozent nachgegeben hatte. "Ein Teil der Börse würde gern mehr Gewinn sehen", räumte Kleber ein.
E-Book-Geschäft wächst
Zum E-Book-Geschäft in Deutschland sagte der Geschäftsführer, die Zahl der deutschsprachigen Titel sei seit Einführung des Kindles in Deutschland im vergangenen Jahr von 25 000 auf über 125 000 verfünffacht worden. Ein besonderer Trend ist die Selbstveröffentlichung von Autoren ohne Mitwirkung eines Verlags. Auf dieses "Self Publishing" entfallen nach Angaben des Unternehmens bereits 49 der 100 meistverkauften E-Books bei Amazon in Deutschland.
Amazon führt weltweit 180 Millionen Kunden. Deutschland gehört zusammen mit Großbritannien und Japan zu den drei größten Märkten außerhalb der USA. Im Geschäftsjahr 2011 steuerten Amazon.de, Amazon.uk und Amazon.jp jeweils 11 bis 15 Prozent zum Gesamtumsatz von 48 Milliarden Dollar bei.