Zahlreiche Handy-Ausspähungen in Hamburg und Berlin
Stand: 20.01.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
Berlin/Hamburg - Wegen der zahlreichen Brandattacken auf Autos sammelte die Berliner Polizei massenhaft Handydaten. Dabei seien auch unbeteiligte Anwohner ausgespäht worden. In Hamburg sorgt die Zahl von 135.000 "Stillen SMS", die zur Handy-Ortung dienen, für Aufregung.
Bei ihrer Suche nach Brandstiftern soll die Berliner Polizei in großem Umfang Handydaten auch unbeteiligter Anwohner ausgewertet haben. Das geht aus Dokumenten hervor, die am Donnerstag das Portal netzpolitik.org veröffentlicht hat. Die neun DIN-A-4-Seiten galten in Polizeikreisen dapd-Informationen zufolge als "vermutlich authentisch". Offiziell erklärte die Behörde lediglich, dass die sogenannte Funkzellenauswertung zur Aufklärung von Autobränden rechtlich zulässig sei. Grüne und Piraten wollen den Fall am Montag im Innenausschuss ansprechen.
Konkret geht es um einen Vorfall im Oktober 2009 im Stadtteil Friedrichshain, bei dem an einem frühen Sonntagmorgen ein Fahrzeug brannte - laut den veröffentlichten Ermittlungsunterlagen des Landeskriminalamtes mit "geringem Sachschaden". Im selben Jahr hatte eine Studie im Auftrag der Innenverwaltung bestätigt, dass der betroffene Abschnitt entlang der Rigaer Straße ein Schwerpunkt der linksextremen Szene ist.
"Eilt! Datenverlust droht!"
Im Internet veröffentlicht wurde am Donnerstag auch ein Antrag der Staatsanwaltschaft ("Eilt! Datenverlust droht!") sowie ein Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten. Die Mobilfunkkonzerne wurden demnach angewiesen, "sämtliche Verkehrsdaten und Verbindungsdaten" von 13 Funkzellen zu übermitteln. Sie umfassen ein dicht bewohntes Gebiet mit mehreren Straßenzügen. Die Daten sollten ein klar definiertes Zeitfenster von 75 Minuten abdecken.
Die Berliner Polizei äußerte sich nicht zu dem konkreten Vorfall, betonte allerdings, Handydaten von Funkzellen stets nur aufgrund richterlicher Beschlüsse ausgewertet zu haben. Wie viele solcher Auswertungen es bisher gegeben habe, sei nicht erfasst. Offen blieb auch, wie viele Handynutzer von der Übermittlung von Verbindungsdaten bisher betroffen waren.
"Massiver Eingriff in die Grundrechte der Berliner"
Die Berliner Grünen sahen "erheblichen Aufklärungsbedarf". Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, forderte mit dem Instrument der Funkzellenauswertung sensibel umzugehen. Die Abfrage greife in die Rechte tausender Unbeteiligter ein, "weil deren Daten notwendigerweise mit erhoben werden", mahnte Lux. Pauschale Abfragen, die nicht auf einzelne Verdächtige begrenzt sind, dürften nur "im absoluten Ausnahmefall" zugelassen werden.
Auch die Berliner Piratenpartei hat die mögliche massenhafte Auswertung von Handydaten scharf verurteilt. "Das ist ein massiver Eingriff in die Grundrechte der Berliner", sagte der innenpolitische Sprecher der Piratenpartei im Abgeordnetenhaus, Christopher Lauer, der Nachrichtenagentur dapd. Lux und Lauer kündigten an, den Vorfall am Montagvormittag im Berliner Innenausschuss zu thematisieren.
Dutzende Autobrände in der Hauptstadt
Lauer erinnerte zudem daran, dass in Berlin in den vergangenen Jahren Dutzende Fahrzeuge brannten und das auf viele Stadtteile verteilt. "Wir werden Innensenator Frank Henkel deshalb auch fragen, ob diese Ermittlungsmethode in Berlin nach Autobränden in Serie ging und flächendeckend angewendet wurde", sagte der Pirat. Henkel sei "gut beraten, jetzt alles auf einen Schlag offenzulegen".
Zuletzt waren die Behörden in Sachsen in die Kritik geraten, weil sie massenhaft Verbindungsdaten ausgewertet hatten. 2011 hatten sie nach Krawallen bei Protesten gegen Neonazi-Aufmärsche mehr als eine Million Handydaten erfasst - auch von unbeteiligten Demonstranten, Journalisten und Politikern. Die Enthüllung dieses Vorgangs machte bundesweit Schlagzeilen und löste Empörung bei Datenschützern aus.
Die Netzaktivisten sprachen am Donnerstag nach dem Veröffentlichen der Berliner Unterlagen auf der eigenen Seite davon, die Aktion in Dresden sei "nur die Spitze des Eisbergs" gewesen. Bei "Netzpolitik" hieß es dazu: "Ist die Vorratsdatenspeicherung einmal da, werden die Daten auch freizügig verwendet."