Wenn das Handy zweimal klingelt - erste Münchner Handy-Schule
Stand: 30.01.2004
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München (dpa/lby) - Die ältere Dame hat es noch nicht einmal ausgepackt, ihr nagelneues Handy. "PIN, Geheimnummer, SIM-Karte - für mich sind das böhmische Dörfer", sagt Anna Gebauer. "Ich kann das Ding nicht mal einschalten." Hilflos wedelt sie mit der Gebrauchsanweisung und sieht dann aus flehenden Augen den Menschen an, der sie aus diesem Elend erlösen soll: "Können Sie mir helfen?" - Katharina kann. Die 23-jährige Kauffrau ist Dozentin an der ersten Münchner Handy-Schule, die in diesen Tagen ihr einjähriges Bestehen feiert.
Die Idee ist ebenso simpel wie erfolgreich: In zwei Stunden erklären junge Menschen der Generation zwischen 50 und 90 Jahren, wie man mit dem piepsenden kleinen Gerät umgeht. Das kostet pro Nase 40 Euro, spare aber eine Menge Zeit und Nerven, sagt Katharina: "Wenn Kinder ihren Eltern das Handy erklären sollen, gibt es immer Zoff, weil sie zu ungeduldig sind. Die Eltern lassen sich umgekehrt nicht so gern etwas sagen. Aber wenn sie für die Einweisung bezahlen, sind sie plötzlich supergelehrig und aufmerksam."
Die erste Lektion ruft gleich dezentes Aufatmen bei den Teilnehmern hervor: "Die Gebrauchsanweisung legen sie am besten weg. Die versteht nämlich kein Mensch." Katharina kümmert sich an diesem Abend um drei Damen mit Nokia-Handy, ihr Kollege Winand, ein Informatik-Student, betreut die Herrschaften mit Siemens-Modellen, der Schüler David weist Philips-Bedürftige ein. Sie alle sollen lernen, wie man eine SIM-Karte einlegt, Telefonnummern speichert, eine SMS liest und schreibt oder Klingeltöne programmiert - die Grundlagen eben, nicht mehr und nicht weniger.
"Ich bin hier, weil ich meinen Enkeln diese kleinen Brieferln schicken will", sagt die 63-jährige Rentnerin Irene Gschnell. Eine andere Dame, die anonym bleiben möchte, sucht "dieses tolle Adressbuch, das ich einmal zufällig entdeckt und dann nie mehr gefunden habe". Und ein älterer Herr hat sein Aha-Erlebnis: "Ach, eine SMS ist das, wenn das Handy zweimal klingelt? Ich hab mich immer gewundert, warum da niemand rangeht wenn ich abhebe."
Nach einer Stunde fühlen sich die meisten bereits als Helden der modernen Kommunikation, auch Anna Gebauer schreibt mit hochroten Wangen an ihrer ersten SMS. "Eigentlich geht es vor allem darum, die Angst der Leute abzubauen. Die meisten schämen sich, weil sie mit ihrem Handy nicht zurechtkommen", sagt die 54-jährige Buchhalterin Christa Philipp, die die Handy-Schule gegründet hat, "weil ich selber Hilfe gebraucht habe mit dem Ding".
Das Konzept scheint aufzugehen: Ein- bis zweimal pro Woche finden die Kurse inzwischen statt, immer in den Nebenräumen von Münchner Gastwirtschaften. Die Erfolgsquote sei hoch, sagt Philipp. Nur dreimal hätten Leute nach dem Kurs noch einmal angerufen, weil sie etwas nicht verstanden hatten - oder, weil sie bereits zu Handy- Süchtigen geworden sind. So wie die 88-jährige Kursteilnehmerin, die sich aus dem Italien-Urlaub bei Katharina meldete: "Sie wollte auf der Stelle wissen, wie sie vom Strand aus Fotos mit dem Handy verschicken kann."