Speicherpaxis von Mobilfunkanbietern befeuert Datenschutzdebatte
Stand: 08.09.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: AFP
Berlin - Das Bekanntwerden der Speicherpraxis deutscher Mobilfunkunternehmen hat die Debatte um die umstrittene Vorratsdatenspeicherung erneut angeheizt. Laut einem am Dienstag in Auszügen im Internet veröffentlichten internen Leitfaden der Münchner Generalstaatsanwaltschaft speichern die großen Mobilfunkanbieter sensible Kundendaten wesentlich länger und umfassender als bislang bekannt.
Den Angaben in der Aufstellung zufolge speichern die großen Anbieter wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus maximal sechs Monate lang, welcher Mobilfunkkunde wann aus welcher Funkzelle wie lange mit wem telefoniert hat. Die sogenannten Verkehrsdaten sind demnach bei mehreren großen Anbietern für 90 Tage vollständig verfügbar. Nur der Anbieter O2 löscht demnach den Großteil der Daten bereits nach sieben Tagen.
Datenspeicherung nur für Abrechnungszwecke?
Ein Sprecher der Münchner Generalstaatsanwaltschaft bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Existenz des Leitfadens. Dieser diene als Hilfestellung für Ermittler und fasse die gesetzlichen Grundlagen der Speicherung von Telekommunikationsdaten zusammen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 geurteilt, dass Mobilfunkunternehmen nur jene Daten erfassen und speichern dürfen, die für Abrechnungszwecke dringend benötigt würden. Alle anderen Daten müssten unverzüglich gelöscht werden.
Speicherpraxis sei "skandalös"
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kritisierte die nun bekanntgewordene Praxis der Mobilfunkbetreiber als "skandalös". Die illegale Kommunikations- und Bewegungsdatenspeicherung bringe Millionen von Menschen in die Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen, erklärte der Sprecher des Datenschutz-Bündnisses, Patrick Breyer. Der Bundesdatenschutzbeauftragte müsse Bußgelder gegen Unternehmen verhängen, die Daten erst nach Tagen oder gar Monaten löschten.
Telekom weist Kritik zurück
Eine Sprecherin der Deutschen Telekom wies die Vorwürfe zurück. Die Telekom schöpfe mit ihrer Speicherpraxis den gesetzlichen Rahmen nicht aus, der zu Zwecken der Rechnungserstellung ein Speichern für bis zu sechs Monate erlaube. Das Unternehmen arbeite daran, die Speicherfrist für Verkehrsdaten von derzeit 30 Tagen weiter zu verkürzen. Abrechnungsdaten würden bis zu 80 Tage gespeichert, auf Wunsch des Kunden jedoch sofort nach Rechnungsversand gelöscht.
Schnelle Aufklärung gefordert
Das Bekanntwerden der Speicherpraxis fachte die Debatte um die umstrittene Vorratsdatenspeicherung erneut an. Grünen-Chefin Claudia Roth sprach von einem "deutlichen Rechtsbruch". Das Linken-Vorstandsmitglied Jan Korte forderte schnelle Aufklärung darüber, wieviele der gespeicherten Daten Polizei oder Geheimdienste angefordert hätten.
Die schwarz-gelben Koalition streitet seit Monaten um die Speicherpraxis: Während Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die vorsorgliche Datenspeicherung strikt ablehnt und das Einfrieren von Daten im konkreten Verdachtsfall bevorzugt, das sogenannte Quick Freeze, fordert Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Speicherung für sechs Monate.
Wissenschaftler für Quick-Freeze-Verfahren
Wissenschaftler der Universität Kassel und des Instituts für Europäisches Medienrecht sprachen sich in einem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Gutachten für eine möglichst kurze Speicherfrist von maximal drei Monaten aus und lobten das Quick-Freeze-Verfahren als "deutlich geringeren Grundrechtseingriff". Die Ergebnisse des vom Bundesforschungsministerium finanzierten Projekts sollen nach Angaben eines Sprechers von der Bundesregierung gemeinsam bewertet werden.
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