München (dpa) - Der Siemens-Konzern trennt sich komplett von seiner verlustreichen Handysparte mit 6000 Beschäftigten. Der taiwanesische BenQ-Konzern übernimmt die Sparte und darf die Marke Siemens fünf Jahre lang nutzen. "Mit dieser Partnerschaft haben wir eine nachhaltige Perspektive für unser Mobiltelefongeschäft gefunden", sagte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld am Dienstag in München. In der Branche war spekuliert worden, dass Siemens über ein Gemeinschaftsunternehmen eine Zeit lang engagiert bleibt. Dies ist nun aber nicht der Fall. Die Trennung kostet Siemens 350 Millionen Euro vor Steuern. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sehen den Verkauf der Handysparte mit Sorge.
Das Werk in Kamp-Lintfort mit seinen mehr als 2000 Beschäftigten soll erhalten bleiben. "Für uns war die Weiterführung des Standorts Kamp-Lintfort ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für einen Käufer", sagte Kleinfeld. Der Ergänzungstarifvertrag für das Werk gilt weiter. Mitte 2004 hatten sich die Beschäftigten auf längere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn eingelassen. Im Gegenzug wurden die Jobs für zwei Jahre bis zum Sommer 2006 gesichert. Darüber hinaus gibt BenQ aber entgegen Medienspekulationen keinerlei Garantien für die mehr als 3000 Arbeitsplätze in Deutschland. Neben Kamp-Lintfort ist vor allem München betroffen. Die Kartellbehörden und eine BenQ- Hauptversammlung müssen dem Geschäft noch zustimmen.
Siemens hatte zuletzt mit den
Handys täglich mehr als eine Million Euro Verlust gemacht. Der Weltmarktanteil brach dramatisch auf nur noch 5,5 Prozent ein. BenQ, eine Ausgliederung des Acer-Konzerns, ist an der vor allem in Europa und Südamerika noch immer starken Marke Siemens interessiert. Dort sind die Asiaten bisher noch praktisch gar nicht aktiv. "Durch die Akquisition sind wir unserem Ziel, zu den grössten Anbietern im Markt aufzuschliessen, ein erhebliches Stück näher gekommen", sagte BenQ-Chef KY Lee. "Mit der Transaktion bekommen wir exzellente Mitarbeiter, etablierte Vertriebskanäle und eine hochkarätige Kundenbasis."
Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat waren gegen den Verkauf. "Ich sehe das sehr kritisch", sagte IG-Metall-Vize und Siemens- Aufsichtsrat Berthold Huber der dpa. "Siemens katapultiert sich aus dem Handymarkt heraus." Noch im vergangenen Jahr habe der Konzern betont, wie wichtig es sei, in dem Wachstumsmarkt als Komplettanbieter vertreten zu sein. Die IG Metall wolle versuchen, in den Detailverhandlungen Garantien für die Beschäftigten durchzusetzen. Huber sieht aber in dem Geschäft auch Chancen. BenQ sei ein aufstrebender Anbieter, der Bedarf an Produktionskapazitäten habe. "Das spricht für die Standorte in Europa." Siemens kommt der Befreiungsschlag noch einmal teuer zu stehen. Im Rahmen des Verkaufs bekommt Siemens kein Geld, sondern muss der Abspaltung noch Mittel mit auf den Weg geben. Um das Vertrauen in BenQ zu dokumentieren, übernimmt Siemens zudem neue
Aktien von BenQ für 50 Millionen Euro. Die beiden Unternehmen wollen künftig enge Geschäftsbeziehungen pflegen. Das profitable Geschäft mit Schnurlostelefonen mit seinem Werk Bocholt bleibt aber bei Siemens.
Der Chipkonzern Infineon begrüsste als wichtiger Zulieferer den Verkauf der Siemens-Handysparte an BenQ. "Die Planungssicherheit ist nicht nur gut für Siemens, sondern auch für Infineon", sagte Konzernchef Wolfgang Ziebart. BenQ übernehme als neuer "Global Player" auf dem Mobilfunkmarkt die Technologieplattform von Siemens, an der Infineon massgeblich beteiligt sei. Infineon macht in seiner Mobilfunksparte noch immer gut 30 Prozent des Geschäfts mit der ehemaligen Konzernmutter Siemens. Daher bekam Infineon die Absatzrückgänge bei Siemens-Handys empfindlich zu spüren.