Schlafstudie soll Diskussion um Mobilfunkstrahlen erhellen
Stand: 09.12.2002
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Flachsmeer (dpa/lni) - In der Diskussion um eine mögliche Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlung soll eine Schlafstudie an 100 Ostfriesen Licht ins Dunkel bringen. Einwohner der Gemeinde Flachsmeer (Kreis Leer) haben sich jeweils zwölf Nächte lang beobachten lassen, um Erkenntnisse zur Erforschung etwaiger Störeinflüsse zu gewinnen.
Die Funk-Wellen von Telefonsendern für den Handy-Betrieb stehen bei vielen Menschen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Bei der Einrichtung von Sendern gibt es deswegen häufig Proteste von Einwohnern in der Sender-Umgebung. Handfeste Beweise für eine Schädlichkeit fehlen jedoch bisher. Das gilt nach den Angaben von Betroffenen allerdings auch für die Behauptung der Unschädlichkeit.
Die aufgezeichneten Daten der Flachsmeerer Schläfer haben die Wirkungen eines neuen Telefon-Senders in der Gemeinde auf die Einwohner allerdings noch nicht erfasst, erläutert Hans Dorn von der Freien Universität Berlin. Die Auswertung der Daten soll jedoch die wichtige Frage beantworten helfen, ob eine aussagekräftige Untersuchung zu der heiss umstrittenen Frage mit Hilfe von Schlaf-Messungen methodisch überhaupt möglich ist.
"Bisher gab es nur Labor-Schlaf-Studien mit jungen, gesunden Menschen", sagt Dorn. Für die angestrebte Telefon-Studie müsse jedoch der mögliche Einfluss von Sender-Strahlung auf die Normalbevölkerung überprüft werden. Die Flachsmeerer repräsentierten normale Bevölkerung. Der Test-Gruppe gehörten Männer und Frauen, Jugendliche und Senioren, Berufstätige, Hausfrauen und Rentner, Angestellte und Industriearbeiter an. Die Studie diene als Test für eine mögliche erste bundesweite Studie. Ob es zu einer solchen Untersuchung kommt, soll nach Auswertung der in Flachsmeer erfassten Daten entschieden werden.
Die Teilnehmer nahmen dabei einiges auf sich. An sechs Tagen der Woche pappten sie sich vor dem Einschlafen zwei Elektroden an die Stirn. Ein Kabel verband die Hirn-Sensoren mit einem Aufzeichnungsgerät auf dem Nachttisch. Es notierte bis zum Aufwachen alle Schlaf-Zustände und Gehirn-Aktivitäten.
Vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen führten die "Probanden" ein Tagebuch. Darin notierten sie, wie der jeweilige Tag verlaufen war und wie sie sich nach dem Aufstehen fühlten.
Ihre Lebensgewohnheiten behielten die 100 Forschungs-Schläfer auf Wunsch der Wissenschaftler in der gesamten Test-Zeit bei. Jede Änderung hätte das "Normalbild" verfälscht, sagt Dorn. "Eine Probandin hat während der Test-Zeit ein Kind zur Welt gebracht", berichtete er; "Partys feiern war auch normal. Sie mussten nur ins Tagebuch geschrieben werden."
Test-Bereitschaft und Geduld der Dorfbewohner verdanken die Wissenschaftler vor allem der Sprecherin der Bürgerinitiative gegen den seit 2001 aktiven örtlichen Handy-Sender, Gerda Bunger. Die 45 Jahre alte Bauersfrau, Mutter dreier Kinder und gelernte Kinderkrankenschwester ist wegen der Sender-Wellen besorgt. Anstelle von Vermutungen wollte sie mehr Gewissheit.
Bis zu dem am Tag nach Nikolaus absolvierten ersten Schritt zu einer grossen Gesundheitsstudie war es jedoch ein langer Weg, berichtet Bunger. Ein Kontakt zur Uni Bremen und das Interesse des dortigen Instituts für Präventions- und Sozialmedizin habe für einen Sprung nach vorn gesorgt. Weitergebracht habe die Sache schliesslich das Niedersächsische Sozialministerium.
Jetzt hofften alle, dass auch die grossen Telefongesellschaften mitspielten, sagt Bunger. Sie hätten sich bisher mit methodischen Einwänden auf Distanz gehalten. Doch ohne sie lasse sich eine verlässliche Untersuchung nicht machen. Eine aussagefähige "Doppel-Blind-Studie" müsse den Schlaf bei aktivierten und bei abgeschalteten Sendern beobachten und vergleichen, erläutert die wissenschaftliche Leiterin des Projekts, Heidi Danker-Hopfe. Am Schalter sässen jedoch allein die Netzbetreiber.