Roaming-Gebühren werden im Sommer 2017 abgeschafft
Stand: 30.06.2015
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Brüssel/Heidelberg - In Zukunft sollen Reisende im EU-Ausland deutlich günstiger telefonieren und im Internet surfen können. Denn die sogenannten Roaming-Gebühren werden am 15. Juni 2017 innerhalb der EU auslaufen. Das unabhängige Verbraucherportal Verivox erläutert, warum das Auslands-Sparpotenzial jedoch oft überschätzt wird: Ein durchschnittlicher Urlauber spart viel mehr, wenn er seinen Inlandstarif optimiert – denn diesen nutzt er die überwiegende Zeit des Jahres.
Die Einigung erzielten Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments am frühen Dienstagmorgen nach einer zwölfstündigen Sitzung in Brüssel, wie Lettland als derzeitiger Vorsitz der EU-Staaten mitteilte.
Abschaffung mit Einschränkungen
Das völlige Aus der Extra-Gebühren fürs EU-Roaming bedeutet dies für Verbraucher aber nicht: Anbieter dürfen generell Einschränkungen machen, wenn Nutzer häufiger im EU-Ausland mobil telefonieren, surfen oder SMS schicken und nicht nur bei gelegentlichen Reisen. Zudem sollen Anbieter entstandene höhere Kosten abrechnen können.
Wer zum Beispiel Freikontingente an Telefonminuten, SMS oder Daten hat, kann diese ab 2017 zwar im EU-Ausland genauso nutzen wie zuhause, wie die EU-Kommission erläutert. Sogenanntes "permanentes Roaming" soll aber ausgeschlossen sein - dabei würden Nutzer sich ihre SIM-Karte für das Handy im günstigeren Ausland kaufen, aber sie daheim nutzen. Um so etwas zu verhindern, dürfen Anbieter beim Erreichen bestimmter Mengen an Anrufen, SMS oder Daten Aufschläge erheben. Diese sollen aber deutlich unter den derzeitigen Obergrenzen liegen. Was das im Detail bedeutet, soll die EU-Kommission ausarbeiten.
Gebühren sinken bereits im kommenden Jahr
In einem Zwischenschritt sollen die Roaming-Aufschläge am 30. April 2016 noch einmal deutlich sinken. Dann dürfen laut Mitteilung Telefonate im EU-Ausland nur noch 5 Cent pro Minute kosten (derzeit 19 Cent für abgehende, 5 Cent für eingehende Anrufe), die Obergrenze für SMS ist 2 Cent (derzeit 6 Cent) und beim Surfen darf jedes Megabyte an Daten mit maximal 5 Cent zu Buche schlagen (derzeit 20 Cent). Es handelt sich dabei um Nettopreise, hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer.
Kunden profitieren an anderer Stelle deutlich besser
Für die Experten von Verivox handelt es sich bei der Abschaffung der Extra-Kosten um eine positive Entwicklung - die überfällig war: Immerhin sollten die Aufschläge eigentlich schon viel früher fallen. Zuletzt war die Rede von einer Abschaffung bis Ende 2015.
Prinzipiell kann sich jeder Reisende im EU-Ausland über die neue Regelung freuen. Allerdings wird sich der Gebührenwegfall vor allem für Viel- und Geschäftsreisende bemerkbar machen. Normalnutzer und durchschnittliche Urlauber würden dagegen deutlich mehr profitieren, wenn sie ihren Tarif fürs Inland optimieren - denn der wird schließlich das ganze Jahr über genutzt. Hier ist der Wettbewerb wichtiger als Regulierung.
Weil die Anbieter außerdem verstärkt auf Angebote setzen, die speziell für eine Nutzung im Ausland konzipiert sind, können Verbraucher mit dem passenden Auslandpaket gegenüber dem EU-Tarif oft deutlich günstiger surfen und telefonieren.
Weitere Auswirkungen für Verbraucher?
Es gibt Befürchtungen, dass die fehlenden Einnahmen fürs Roaming von den Anbietern über die Mobilfunkpreise im Inland auf die Kunden umgelegt werden. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass der Wettbewerb am Markt dies verhindert. So verzichten einige Discount-Anbieter bereits jetzt auf Roaming-Gebühren, um sich einen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern zu verschaffen.
Einigung zur Netzneutralität
Eine Einigung gab es auch in der umstrittenen Frage der Netzneutralität. Dahinter steckt die Idee, dass Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen die Datenpakete der Nutzer gleichberechtigt durch ihre Leitungen schicken - unabhängig davon, woher sie stammen oder welchen Inhalt sie haben. Heftig diskutiert wurde bei den Verhandlungen, ob und welche Daten unter bestimmten Bedingungen doch Vorrang haben sollten.
"Es ist nicht alles so schön, wie wir uns das gewünscht haben", sagte die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert, die für das Parlament mit am Verhandlungstisch saß, der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. "Aber wir haben eine Menge erreicht."
Internet-Anbieter müssten verschiedene Arten von Verkehr gleichmäßig behandeln, hieß es in der lettischen Mitteilung. Drosseln oder Blockieren von Inhalten soll nur im Ausnahmefall erlaubt sein, etwa bei Cyber-Angriffen.
Bevorzugung spezieller Dienste
Bestimmte Spezialdienste sollen Vorfahrt erhalten dürfen - das könnten zum Beispiel Anrufe des automatischen Auto-Notrufs eCall sein, erläuterte Kammerevert. Voraussetzung dafür sei aber, dass diese Dienste notwendig seien und eine ausreichende Netzkapazität zur Verfügung stehe. Die "generelle Qualität" für andere Nutzer müsse weiterhin ausreichen. "Alle Verkehre werden gleich behandelt, ob es das Katzenbild von Oma ist, ein Spielfilm, den ich mir herunterlade oder eine Email", sagte Kammerevert.
Trotz der Grundsatzeinigung müssen einige Details noch ausgehandelt werden. Wenn dies geschehen ist, müssen die EU-Staaten und das Parlament den informellen Kompromiss offiziell bestätigen.
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