Notrufnummer 110 wird häufig mißbraucht
Stand: 22.11.2016
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Berlin - Mit der Verbreitung mobiler Telefone ist auch die Auslastung des Polizeirufs 110 gestiegen - doch häufig geht es gar nicht um Notfälle. Die Wartezeiten steigen. In Berlin gehen jedes Jahr 1,3 Millionen Anrufe bei der 110 ein, pro Tag 3560. Viele sind keine Notfälle. Mit der Social-Media-Kampagne "NoNotruf" will die Behörde ein Bewusstsein dafür schaffen.
Häufig wird die Notrufnummer 110 gewählt bei Problemen mit Katzen, Freundinnen, Verwandten oder Fahrradschlössern. Kaum eine Frage ist zu unwichtig oder zu naiv, als dass sie nicht irgendwann in der Notrufzentrale landet - und eine der Leitungen für echte Notfälle blockiert.
Mit einer einwöchigen Kampagne will die Berliner Polizei gegen den Missbrauch des Notrufes vorgehen. Das Motto lautet: "NoNotruf". Über Twitter und Facebook veröffentlicht die Polizei seit Montag skurrile und nervige Fälle aus der Vergangenheit und vom gleichen Tag. Ein Anrufer beschwert sich: "Die Reparatur meiner Heizdecke dauert nun schon fünf Wochen." Ein anderer ängstigt sich: "Meine Schwiegertochter will an mein Erbe". Kurz darauf klagt ein Anrufer: "Ich habe eine Freundin, die ist geistig nicht auf der Höhe. Die will ich nicht mehr als Freundin."
Fast ein Viertel sind keine Notrufe
Rund 1,3 Millionen 110-Notrufe gehen jedes Jahr bei der Berliner Zentrale ein. Laut Polizei gibt es bei 300 000 davon keinerlei Grund für einen Polizeieinsatz. Das sind durchschnittlich 820 überflüssige Anrufe pro Tag. Sie blockieren eine der Telefonleitungen und verursachen Wartezeiten bei echten Notfällen. Die Feuerwehr hat mit ihrer Nummer 112 genau die gleichen Probleme.
Yvonne Tamborini vom Internet-Team der Berliner Polizei beschreibt es so: "Ein Großteil der Leute ist nicht mehr sensibel für diese Telefonnummer. Das Bewusstsein, dass die 110 für Notsituationen gedacht ist, ist nicht mehr vorhanden." Das zunehmende Problem liege auch an den Handys, die jeder bei sich trage, sagt sie. Die Versuchung, einfach schnell die Polizei anzurufen, um sie auch bei Banalitäten um Rat zu fragen, ist groß.
Motivation nicht immer klar
Ob die Anrufer vor allem gedankenlos, naiv oder auch dreist sind, ist schwer zu sagen. Einige von der Polizei gesammelte Beispiele aus den vergangenen Wochen lauten: "Mir ist eine Katze zugelaufen. Wollte fragen, ob die jemand vermisst." Oder: "Ich möchte hier im Krankenhaus schneller bedient werden. Ich erwarte eine zügige Aufnahme."
Live vom Montag geht es weiter: "Ich krieg mein kaputtes Fahrradschloss nicht auf. Könnt ihr mir helfen?" Ein weiterer Anrufer ist ebenfalls ratlos: "Ich habe aus Versehen meine Telefongebühren an den falschen Anbieter überwiesen."
Vielen Anrufern ist vielleicht nicht klar, dass die Polizei die Telefonnummer auch dann erkennen kann, wenn sie am Gerät unterdrückt wird. Auf einem Bildschirm wird zudem der Standort des Anrufers angezeigt. Gezielter Missbrauch könnte verfolgt werden. Meist beenden die Polizisten aber nur bestimmt das Gespräch. Sie können auch einen Knopf für eine schnelle Bandansage drücken: "Das ist kein Grund für einen Notruf bei der Polizei Berlin."
Wartezeiten werden länger
Die Kampagne hängt auch damit zusammen, dass die Berliner Polizei kürzlich eingestehen musste, die 110-Anrufer immer länger in der Warteschleife hängen zu lassen. Im ersten Halbjahr 2016 wurden nur 62 Prozent der Notrufe innerhalb der ersten zehn Sekunden angenommen. Alle anderen mussten länger warten, zum Teil mehrere Minuten. 2014 und 2015 kam die Polizei immerhin noch auf eine Quote von 70 Prozent. Erklärtes Ziel ist es aber, 90 Prozent der Anrufe nach spätestens zehn Sekunden anzunehmen.
Tamborini appelliert: "Niemand sollte einfach aus Bequemlichkeit den Notruf wählen und andere dafür in der Warteschleife hängen lassen. Einfach mal an die Mitmenschen denken, wäre gut." Für normale Fragen gibt es ein extra Bürgertelefon der Polizei (030 4664 4664).
Trotzdem wählen immer wieder zahlreiche Menschen die 110. Einer sang kürzlich: "Es geht mir gut, das macht die Liebe ..." Ein anderer suchte Hilfe: "Ich habe 2,50 ? in den Fotoautomaten gesteckt, was soll ich da jetzt machen?" Eine schnelle Erkenntnis setzte sich am Montag durch: "Ist eine Wohnung frei? ... Oh, verwählt."