Huawei P9 Lite: Flaggschiff zum halben Preis
Stand: 31.05.2016
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: Verivox
Heidelberg - Schick, flach und mit knapp 300 Euro erheblich günstiger als das P9: Das Huawei P9 Lite dürfte viele Blicke auf sich ziehen. Zumal mit 5,2-Zoll-Display und 13-Megapixel-Kamera ausgestattet. Natürlich fragt sich der potenzielle Käufer, welche Unterschiede es denn nun gibt, die den Preis auf beinahe die Hälfte drücken. Und ob diese gravierend ausfallen. All das beantwortet der Test.
Das Huawei P8 Lite aus der Vorjahres-Kollektion entpuppte sich als wahrer Verkaufsschlager, weshalb von vornherein klar war, dass Huawei auch in diesem Jahr wieder eine abgespeckte Version seines Flaggschiffs P9 auf den Markt bringen würde. Et voila! Das Huawei P9 Lite sieht seinem mit 569 Euro fast doppelt so teuren Bruder verblüffend ähnlich. Ja, es ist mit 7,4 statt 7,1 Millimeter einen Hauch dicker, und auch in Länge und Breite hat es ein Millimeterchen mehr auf den Rippen, doch das spürt man nicht einmal im direkten Vergleich. Auch besteht die Rückseite nicht aus Aluminium, sondern aus Kunststoff, was man von der reinen Augenscheinnahme jedoch kaum vermuten würde: Weder haptisch noch optisch wirkt das Lite schlechter als das P9. Außerdem ist der Fingerabdruck-Sensor auf der Rückseite geblieben. Die Stabilität muss sich ebenfalls nicht verstecken: Im Verwindungstest zeigt das Lite nur marginal mehr Bewegungsspielraum als das P9. Einziger Unterschied: Während beim P9 der Unibody von den Seiten gefühlt nahtlos in das 2,5-D-Glas der Front übergeht, bleibt das Glas beim P9 Lite plan und der Metallrahmen steht ein kleines Stück über: Das wirkt haptisch völlig anders. Kantiger. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Zu sehen ist der Unterschied im folgenden Video, welches P9, P9 Lite und P9 Plus vergleicht:
(Dieses Video ist nicht mehr verfügbar.)
Selbe Größe und Auflösung
Der Touchscreen ist quasi identisch, mit 5,20 statt 5,15 Zoll (132 statt 131 Millimeter) sogar eine Haaresbreite größer, aber das darf man getrost vernachlässigen. Die Auflösung beträgt ebenfalls 1080 x 1920 Pixel, die Schärfe kommt auf ordentliche 424 ppi (278 Pixel pro Quadratmillimeter) und liegt damit 8 Prozent über dem Durchschnitt aller in den letzten 24 Monaten getesteten Smartphones. Auch das Panel selbst ist das gleiche wie beim P9, dank Dual-Domain-IPS kann sich die Blickwinkelstabilität sehen lassen. Allein die Helligkeit unterscheidet sich signifikant: Während das P9 in sehr hellen Umgebungen wie etwa bei direkter Sonneneinstrahlung auf bis zu 540 Candela pro Quadratmeter kommt, verfügt das Lite nicht über diesen „Sun Booster“ und kommt daher in der Spitze nur auf 450 Candela. Doch das ist gerade mal 2 Prozent unterdurchschnittlich und mithin völlig ausreichend.
Reife Prozessor-Leistung
Beim Prozessor handelt es sich aber natürlich um einen anderen: An die Stelle des Kirin 955 tritt der Kirin 650. Dieser hat zwar ebenfalls acht Kerne, die jedoch allesamt auf der Cortex-A53-Architektur basieren und mit 1,7 sowie 2,0 Gigahertz etwas niedriger getaktet sind. Beim P9 sind immerhin vier der acht Kerne Cortex-A57-Chips, die leistungsstärker und mit 2,5 Gigahertz getaktet sind. Auch der Grafik-Chip Mali T830 MP2 ist deutlich schwächer auf der Brust als der Mali T800 MP12 des großen Bruders. 3 Gigabyte Arbeitsspeicher haben aber beide P9-Varianten intus. Damit erzielt das Lite in der Gesamtwertung aus zwölf der bekanntesten Benchmarks mit mehr als 50 erfassten Einzelwerten ein Ergebnis, das haargenau dem Schnitt entspricht. Ein guter Wert für diese Preisklasse! Das sollte den Allermeisten vollauf reichen. Nur wer wirklich spezielle Ansprüche an die Prozessorleistung hegt, weil er zum Beispiel auch grafisch anspruchsvolle Games möglichst flüssig spielen möchte, braucht mehr. Und muss dafür dann auch entsprechend tiefer in die Tasche greifen. Das P9 beispielsweise rangiert 77 Prozent über dem Mittel und kostet 569 Euro. Das P8 Lite schippert aktuell 36 Prozent unter dem Durchschnitt.
Akkulaufzeit nahezu identisch
Der Akku fällt mit 3.000 Milliamperestunden wiederum exakt identisch aus wie beim P9 und ist ebenfalls fest verbaut, kann also nicht vom Nutzer ausgetauscht werden. Im Laufzeittest bei der Videowiedergabe mit auf 200 Candela gedimmten Display im Flugmodus erzielt das Lite 418 Minuten: 13 Prozent unterdurchschnittlich. Und rangiert damit auf dem Niveau des P9, das auf 434 Minuten kommt und 10 Prozent unter dem Mittel bleibt. Das bedeutet in der Praxis für beide P9-Varianten gleichermaßen, dass Otto Normalnutzer über einen Tag kommt, wohl eher nicht über den zweiten. Und Intensivnutzer müssen sich darauf einstellen, tagsüber zwischentanken zu müssen.
Gemächliches Laden
Das Aufladen geht beim Lite denkbar langsam vonstatten, weil das serienmäßig beiliegende Netzteil gerade mal 1 Ampere ausspuckt; das des P9 liefert das Doppelte. Somit benötigt das Lite für eine volle Ladung ganze 203 Minuten: 33 Prozent mehr als üblich für diese Kapazität. Heißt, dass kurze Zeiten am Netzteil nicht wirklich viel bringen – anders als bei manchem Konkurrenten.
Speicher halbiert
Doch es gibt noch weitere Differenzen zu beachten: So fasst der interne Speicher mit 16 (netto: 7,9) Gigabyte nur die Hälfte des P9 mit seinen 32 (netto: 22,6) Gigabyte. Doch das dürfte nur die Allerwenigsten kümmern, schließlich steckt in der linken Flanke ein Slot für Nano-SIM und Micro-SD-Karte, sodass die Ablage um offiziell bis zu 128 Gigabyte erweitert werden kann. Darüber hinaus fehlt beim Lite das 5-Gigahertz-Band von WLAN n und damit auch der aktuelle Standard WLAN ac. Ferner wird Bluetooth mit dem Standard 4.1 statt 4.2 unterstützt – die Unterschiede liegen primär in Sicherheitsaspekten sowie in der Optimierung des Stromverbrauchs insbesondere im Zusammenspiel mit LTE. Dass 4G mit „nur“ 150 statt 300 Megabit pro Sekunde nominal operiert, dürfte nur in den seltensten Fällen entscheidend sein, denn erstens sind ja auch 150 Megabit bereits schnell, und zweitens unterstützen die hiesigen Netzwerke derzeit nur sehr punktuell 300 Megabit. NFC beherrschen beide Huawei-Modelle. Nicht zuletzt setzt das Lite auf die klassische Micro-USB-Buchse („Typ B“), das P9 auf die neue vom „Typ C“, bei der sich das Kabel beidseitig einstöpseln lässt. Da aber auch das P9 nur USB 2.0 beherrscht, bleiben die Datenübertragungsraten gleich. Ob man für diese Kleinigkeiten 270 Euro mehr zu berappen bereit ist, muss jeder Interessent für sich selbst entscheiden.
Foto
Die Leica-Doppel-Kamera des P9 kommt beim P9 Lite wenig überraschend nicht zum Einsatz. Stattdessen handelt es sich um eine konventionelle Kamera mit 13 Megapixel. Die Front-Linse geht wie beim P9 mit bis zu 8 Megapixel mit. Schärfe und Detailtreue des Lite sind ordentlich, wie man es in dieser Liga auch erwarten darf. Allerdings fehlt – wie auch beim P9 – ein optischer Bildstabilisator, sodass die Qualität abnimmt, sobald das Licht geringer wird: Unschärfen aufgrund der langen Belichtungszeiten sowie Bildrauschen sind die Folge. Hier kann das P9 immerhin mit seinen zwei Linsen und zwei Sensoren gegenhalten, deren Signale kombiniert werden, was die Lichtstärke wesentlich erhöht. Wer sich ein Bild von der Qualität des P9 machen möchte, findet im folgenden Vergleichs-Video mit LG G5, HTC 10 und Samsung Galaxy S7 Beispiele unter diversen Lichtbedingungen:
(Dieses Video ist nicht mehr verfügbar.)
Kurzum: Während das P9 in Sachen Fotoqualität ein „Sehr gut“ einfährt, muss sich das P9 Lite mit einem „Gut“ begnügen. Doch das dürfte den meisten Interessenten rundum reichen.
Video
Bewegtbilder nimmt das Lite wie das P9 mit Full HD (1920 x 1080 Pixel) auf. Lediglich der Modus mit 60 Bildern pro Sekunde fehlt. Die Frontkamera schafft – auch das bleibt gleich – nur schwache 720 x 1280 Pixel. Leider ist auch auf die Qualität der Videos identisch: mäßige Schärfe, magere Detailtreue, dafür setzt es ein „Ausreichend“. Immerhin bleibt der Autofokus weitgehend stabil.
Audio
Ein UKW-Radio findet sich erstaunlicherweise allein auf dem P9 Lite. Der Klang am Kopfhörer-Ausgang, getestet mit dem Referenz-Headset Ultimate Ears Reference Monitors, gibt sich kräftig, ausgewogen und natürlich. Jedoch bleiben die Höhen ein wenig hinter der Klang-Referenz zurück, dem Samsung Galaxy Note 4: Präsenz, Spritzigkeit und Räumlichkeit wirken beim Samsung noch eine Spur deutlicher. Die Bässe tönen im ersten Augenblick zwar kräftiger, sind dafür aber nicht so präzise und einen Hauch übergewichtet. Aber das sind Unterschiede, die sich nur im direkten Vergleich und mit ordentlichem Equipment heraushören lassen, weshalb die Wertung für das P9 Lite am Ende „gut“ lautet.
Handhabung
Als Betriebssystem dient Android 6.0, über das Huawei seine bekannte Nutzeroberfläche „Emotion UI 4.1“ legt. Die Handhabung gestaltet sich daher exakt wie beim P9, weshalb für alles Weitere auf dessen Test verwiesen sei.
Fazit
Formfaktor, Gewicht, Design, Video- und Audioqualität sowie Verarbeitung, Stabilität und Handhabung des Huawei P9 Lite fallen quasi gleich aus wie beim P9.
Es gibt etliche Unterschiede im Detail, die aber wohl nur für wenige Interessenten kaufentscheidend sein dürften: fehlender „Sun Booster“ bei der Display-Beleuchtung, halbierter, doch erweiterbarer Speicher mit 16 (netto: 7,9) Gigabyte, LTE mit 150 statt 300 Megabit, fehlendes 5-Gigahertz-Band von WLAN n und somit kein WLAN ac, Bluetooth 4.1 statt 4.2 – da kann man angesichts einer Preisempfehlung von 299 Euro ein Auge zudrücken. Allein das P9 Lite verfügt über ein UKW-Radio.
Selbst der fest verbaute Akku läuft beinahe gleich lang und liegt damit 13 Prozent unter dem Durchschnitt; das P9 bleibt 10 Prozent darunter. Beide Telefone sollten also Normalnutzer durch einen Tag bringen, Intensivnutzer müssen bei beiden tagsüber wohl zwischentanken. Nicht zuletzt besteht der Rücken des Lite aus Kunststoff statt Aluminium, was jedoch Optik und Haptik keinen wesentlichen Abbruch tut. Das Laden dauert beim Lite signifikant länger, was sich aber mit einem kräftigeren Netzteil beheben lassen dürfte. Außerdem bekleckert sich das P9 in dieser Disziplin auch nicht gerade mit Ruhm, liegt aber immerhin fast im Schnitt.
Somit bleiben unterm Strich nur zwei potenziell kaufentscheidende Unterschiede. Da wäre zum einen der Prozessor, der exakt im Durchschnitt liegt statt 77 Prozent darüber. Das P9 rechnet also eindeutig schneller, doch für seinen Preis ist auch das Lite prima.
Unterschied Nummer zwei betrifft die Kamera, die „gut“ statt „sehr gut“ abschneidet. Deren Qualität lässt mangels optischem Stabilisator bei wenig Licht stark nach, dürfte aber ausreichen, wenn man nicht gerade gesteigerten Wert auf die Bildqualität legt. Doch wer dies tut, dürfte auch mit dem P9 nicht ganz zufrieden sein, sondern wird wohl eher zu Modellen mit optischem Stabilisator wie dem Samsung Galaxy S7 tendieren. Das gilt für Video-Freunde doppelt und dreifach, denn Clips gelingen mit beiden P9-Modellen nur recht mäßig: „ausreichend“. Deshalb dürften vermutlich auch in diesem Jahr wieder mehr Menschen zum Huawei P9 Lite als zum P9 greifen.