Niedrigzinspolitik
Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 wurde der Begriff „Niedrigzinspolitik“ zu einem ständigen Begleiter der Mediennutzer. Verantwortlich für die Zinspolitik einer Volkswirtschaft ist die jeweils zuständige Notenbank. Innerhalb der Europäischen Union fällt diese Aufgabe nicht mehr den nationalen Notenbanken zu, wie beispielsweise in den USA, sondern der Europäischen Zentralbank (EZB). Warum betreiben Notenbanken eine Niedrigzinspolitik, was sind die Ziele?
- Notenbanken im wirtschaftlichen Spannungsfeld
- Über die Zinsen lässt sich die Wirtschaft steuern
- Wie lassen sich die Zinsen senken?
- Folgen der Niedrigzinspolitik
- Wann greift im Gegenzug eine Hochzinspolitik?
- Verwandte Themen
- Weiterführende Links
Das Wichtigste in Kürze
- Niedrigzinspolitik ist das wichtigste Instrumentarium, der Wirtschaft Wachstumsimpulse zu geben.
- Nach der Finanzkrise 2008 gipfelte die Niedrigzinspolitik in Europa in negative Zinsen.
- Das Risiko der Niedrigzinspolitik liegt in einer Überschuldung der privaten Haushalte.
- Hochzinspolitik als Gegenstück dient der Inflationsbekämpfung.
Notenbanken im wirtschaftlichen Spannungsfeld
Die klassischen Aufgaben einer Notenbank umfassen vier Positionen:
- Sicherung der Preisstabilität
- Solider Arbeitsmarkt
- Wahrung des Gleichgewichts im Außenhandel
- Stetiges Wirtschaftswachstum
Die Problematik dieses Spannungsfeldes, nicht umsonst „magisches Viereck“ genannt, liegt auf der Hand. Stetiges Wirtschafswachstum führt häufig zu einem Außenhandelsüberschuss. Vollbeschäftigung mit hohem Einkommensstandard befeuert die Inflation. Die Kunst der Zentralbanker liegt darin, dem Gleichgewicht der vier Eckpunkte möglichst nahe zu kommen. Die Zinspolitik spielt dabei einen entscheidenden Faktor.
Über die Zinsen lässt sich die Wirtschaft steuern
Die Zinsen sind das wichtigste Instrument, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln oder einer Inflation entgegenzuwirken. Seit der Finanzkrise bewegen sich, nicht nur in Europa, einige Volkswirtschaften in der Schieflage. Banken gerieten ins Trudeln, die Kreditvergabe an das produzierende Gewerbe wurde nur noch restriktiv betrieben.
Die Folge war, dass Unternehmen nicht mehr investieren konnten und Mitarbeiter entlassen wurden. Durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit ging der Konsum zurück. Ein rückläufiger Konsum wirkte sich wiederum negativ auf die Unternehmen aus. Am Ende bildet diese Abwärtsspirale einen Teufelskreis.
Die Zentralbanken griffen in der Folge zum Mittel der Niedrigzinspolitik. Durch die Absenkung der Zinsen auf ein historisches Tief, einschließlich von Negativzinsen für Guthaben der Geschäftsbanken bei der EZB, sollte zum einen die Kreditnachfrage seitens der Privatwirtschaft stimuliert werden.
Ein Anstieg der Kreditvergabe führt zu mehr Investitionen, zu einer Belebung des Arbeitsmarktes, daraus resultierend zu einer erhöhten Nachfrage nach Gütern durch die privaten Haushalte. Im Idealfall stellt eine Niedrigzinspolitik das genaue Gegenstück zu den Folgen einer restriktiven Kreditvergabe dar.
Wie lassen sich die Zinsen senken? Den Notenbanken stehen zwei Optionen zur Verfügung, Zinssenkungen am Markt zu initiieren. Zum einen können sie den Einlagenzinssatz, den die Banken für kurzfristige Einlagen bei der Notenbank erhalten, senken. Damit wird es für die Geschäftsbanken uninteressant, bei den Notenbanken Geld zu parken. Zum zweiten besteht die Möglichkeit, den Refinanzierungszins für Geschäftsbanken extrem niedrig anzusetzen. Dadurch sinkt auch der Zinssatz, den Unternehmen und private Haushalte für Kredite entrichten müssen.
Wie lassen sich die Zinsen senken?
Den Notenbanken stehen zwei Optionen zur Verfügung, Zinssenkungen am Markt zu initiieren. Zum einen können sie den Einlagenzinssatz, den die Banken für kurzfristige Einlagen bei der Notenbank erhalten, senken. Damit wird es für die Geschäftsbanken uninteressant, bei den Notenbanken Geld zu parken. Zum zweiten besteht die Möglichkeit, den Refinanzierungszins für Geschäftsbanken extrem niedrig anzusetzen. Dadurch sinkt auch der Zinssatz, den Unternehmen und private Haushalte für Kredite entrichten müssen.
Anleiheaufkäufe als letztes Mittel
Der dritte Weg ist, massiv Geld in den Markt zu spülen. Die Europäische Zentralbank darf einzelnen Staaten keine direkte Finanzierung zur Verfügung stellen. Vor diesem Hintergrund praktiziert sie seit einigen Jahren die umstrittene Variante der Anleiheankäufe.
Private Banken kaufen von emittierenden Staaten deren Staatsanleihen auf. Die EZB wiederum kauft den Banken die Staatsanleihen ab. Damit fließen den Kreditinstituten die Milliardenbeträge zu, die dann wiederum als zinsgünstige Darlehen in den Markt gelangen sollen. Die Milliarden, welche die EZB gezahlt hat, wiederum als Einlage dort zu parken, ist aufgrund marginaler oder negativer Zinsen uninteressant.
Folgen der Niedrigzinspolitik
Gerade konservative Sparer und Anleger spüren die Auswirkungen enorm. Auf Spareinlagen werden kaum noch Zinsen gezahlt. Anleger transferieren ihre Gelder in andere Staaten, in denen sie mit höheren Erträgen für ihr Erspartes rechnen können.
Die Bundesrepublik Deutschland verdiente in einigen Jahren Geld damit, dass sie sich durch Anleihen verschuldete. In Krisenzeiten war die Nachfrage nach Staatsanleihen aus Deutschland so groß, dass die Ausgabe mit einem Agio erfolgte, welches den zu zahlenden Zinssatz überstieg.
Sind Tagesgelder und Termingelder uninteressant, steigt zwangsläufig die Nachfrage nach Immobilien als konservativer Geldanlage. Diese Nachfrage erhält zusätzlichen Auftrieb durch die auf der anderen Seite sehr niedrigen Zinsen für Baufinanzierungen. Ein angespannter Immobilienmarkt kann durch eine Niedrigzinspolitik noch zusätzlich in eine Blase gedrückt werden.
Auf der anderen Seite motivieren überdurchschnittlich niedrige Zinsen für Konsumkredite tatsächlich Verbraucher, verstärkt auf Konsumgüterfinanzierungen zu setzen und damit Impulse für die Wirtschaft zu liefern.
Das Beispiel USA aus den Jahren 2017 bis 2020 zeigt jedoch, dass ein solcher Wirtschaftsimpuls auch trügerisch sein kann. Der positive Trend fällt rückläufig aus, die Wirtschaft gerät ins Stocken. Die Folge ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit. Auf Pump finanzierte Immobilien und Häuser oder stark genutzte Kreditkarten können zu einer erneuten Bankenkrise führen – das Spiel beginnt von vorne.
Wann greift im Gegenzug eine Hochzinspolitik?
Eine boomende Wirtschaft mit Vollbeschäftigung geht mit einer überdurchschnittlichen Nachfrage nach Gütern einher. Die hohe Nachfrage wiederum führt zu überdurchschnittlichen Preissteigerungen. Ziel der EZB ist eine Inflationsrate in der Eurozone von leicht unter zwei Prozent. Steigt die Inflation, führen höhere Zinsen zu einem Nachfragerückgang sowohl im gewerblichen als auch im privaten Sektor. Eine fallende Nachfrage wiederum bewirkt, dass Unternehmen die Preise senken müssen, um weiter verkaufen zu können. Die Hochzinspolitik gilt als Bremse, wenn zu viel Geld im Markt die Preise treibt.
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