Zentralbankchef bereit zu weiteren Sondermaßnahmen
Stand: 08.08.2014
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Frankfurt/Main - Die Preissteigerung in Europa ist der Europäischen Zentralbank (EZB) zu niedrig. Deshalb ist sie zu weiteren außergewöhnlichen Maßnahmen bereit, um die Konjunktur zu beleben. EZB-Präsident Mario Draghi bereitete am Donnerstag die Märkte auf neue Programme vor. Die Zentralbank habe Vorbereitungen für ein Programm zum Kauf von Kreditpaketen (Asset Backed Securities/ABS) verstärkt. Der Leitzins bleibt unverändert.
Es sei noch keine endgültige Entscheidung über den ABS-Aufkauf getroffen: "Wir wollen vorbereitet sein, darum haben wir die Vorbereitungen intensiviert." Ein solcher Schritt könnte Geschäftsbanken Freiräume für neue Kredite verschaffen. Draghi betonte jedoch, die Währungshüter seien überzeugt, dass ihr umfangreiches Anti-Krisenpaket von Anfang Juni zur weiteren Verbesserung der Lage beitragen werde.
Der Leitzins bleibt daher zunächst auf dem Rekordtief von 0,15 Prozent. Den - nach Draghis Angaben erfolgreichen - Strafzins für Bankeinlagen bei der EZB hält die Zentralbank bei minus 0,10 Prozent. Ab September können sich Banken zudem neue Langfristkredite (TLRTO) bei der EZB borgen. Die EZB erwartet, dass ein Volumen zwischen 450 Milliarden und 850 Milliarden Euro nachgefragt werden wird.
Inflation europaweit unter der Zielmarke
Die meisten Volkswirte hatten mit der abwartenden Haltung der EZB gerechnet, auch wenn die jüngsten Inflationsdaten neue Sorgen schürten: Sinkende Energiepreise drückten die Teuerung in den 18 Euroländern im Juli auf 0,4 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2009. Auch in Deutschland war das Niveau der Verbraucherpreise mit 0,8 Prozent im Juli weit entfernt vom EZB-Ziel stabiler Preise bei Inflationsraten knapp unter 2,0 Prozent.
Mittelfristig sieht die EZB ihr Inflationsziel aber nicht in Gefahr. Draghi betonte: "Wir sind fest entschlossen, die feste Verankerung der Inflationserwartungen auf mittlere bis lange Sicht zu sichern." Indes droht nach Einschätzung der EZB der Konflikt in der Ukraine zu einer Belastung für die Wirtschaft im Euroraum zu werden. "Die geopolitischen Risiken haben zugenommen", stellte Draghi fest.
"Insbesondere die Lage in der Ukraine und Russland wird natürlich größere Auswirkungen auf die Eurozone haben als auf den Rest der Welt." Es sei aber derzeit schwer einzuschätzen, welche Auswirkungen die Sanktionen gegen Russland und die Gegenmaßnahmen der russischen Seite genau auf die Wirtschaft des Währungsraums haben werden. Derzeit gehe die Notenbank davon aus, dass sich die Konjunktur im Euroraum allmählich, aber ungleichmäßig erholen werde, sagte Draghi. Reformwillige Länder kämen dabei besser voran als andere.
Italien soll weiterrefomieren
Von der Regierung seines Heimatlandes Italien forderte Draghi grundlegende Reformen. Die Unsicherheit wegen fehlender Reformen etwa am Arbeitsmarkt sei der wichtigste Grund für den sehr niedrigen Stand der Privatinvestitionen. Das wiederum sei einer der wichtigsten Gründe für die zuletzt schwache Entwicklung der italienischen Wirtschaft, erklärte Draghi. Italien war im zweiten Quartal wieder in die Rezession gerutscht.
Weitere Schritte der EZB erwarten Volkswirte frühestens Ende 2014. Christian Schulz von der Berenberg Bank hält es für zunehmend wahrscheinlich, dass dann ein ABS-Programm öffentlich gemacht wird. Auf dem Tisch liegt zudem weiterhin die Möglichkeit breit angelegter Wertpapierkäufe ("Quantitative Easing"/QE).
Die "Marschroute der Frankfurter Währungshüter" sei klar, meinte VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel: In der ersten Jahreshälfte 2015 werde die EZB Bilanz ihrer jüngsten Sondermaßnahmen ziehen: "Stellen die Währungshüter dann aber fest, dass sich die Konjunktur abkühlt, die Kreditvergabe schwach bleibt und die Inflationsraten niedrig sind, wird ein Wertpapieraufkaufprogramm zu einer ernstzunehmenden Option."