Wohnflächen-Vermessung: BGH entscheidet über 10-Prozent-Klausel
Stand: 18.11.2015
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Berlin/Karlsruhe - In vielen Mietverträge ist die Wohnungsgröße falsch angegeben. Das hat Konsequenzen für Mieten und Betriebskosten. Bisher mussten Mieter wie Vermieter kleine Abweichungen hinnehmen. Doch das könnte sich ändern.
Wer geht schon mit dem Zollstock durch die Wohnung, bevor er den Mietvertrag unterschreibt? Künftig könnte das nötig werden. Denn viele Wohnungen sind kleiner oder größer als im Vertrag angegeben. Bisher waren gewisse Abweichungen zulässig. Diese Regelung könnte vor dem Bundesgerichtshof jetzt aber kippen. Das hat Einfluss auf Mieterhöhungen und Betriebskosten - und kann für Mieter wie Vermieter teuer werden. (Az.: VIII ZR 266/14)
Die Größe eines Zimmers sollte doch eine eindeutige Sache sein. Wie kommt es zu den Abweichungen?
Es gibt keine einheitlichen Standards dafür, wie Wohnungen vermessen werden. Kleine Nischen oder Kamine werden häufig unterschiedlich berücksichtigt. Auch wie man mit Balkonflächen, Dachschrägen und Terrassen umgeht, ist nicht eindeutig geklärt. Dazu kommt, dass Mieter und Vermieter die Kosten für eine professionelle Vermessung scheuen. Nach Schätzungen des Deutschen Mieterbunds stimmt deshalb bei zwei von drei Wohnungen die im Mietvertrag genannte Quadratmeterzahl nicht mit der Realität überein.
Worüber verhandelt der Bundesgerichtshof jetzt?
Geklagt hat eine Vermieterin aus Berlin. Sie hat eine 5-Zimmer-Wohnung mit 210,43 Quadratmetern Wohnfläche. Im Mietvertrag sind aber nur 156,95 Quadratmeter angegeben - also rund ein Viertel weniger. Die Vermieterin wollte die Miete erhöhen und dabei berücksichtigen, dass die Wohnung eigentlich viel größer ist als bisher angenommen. Das wollte der Mieter nicht hinnehmen.
Warum kann die Vermieterin nicht einfach erhöhen?
Für Mieterhöhungen gibt es in Deutschland Regeln. Die Berliner Kappungsgrenze ist erst vor zwei Wochen vom BGH bestätigt worden. Demnach darf ein Vermieter innerhalb von drei Jahren bei der Miete 15 Prozent draufschlagen. In diesem Fall sollte die Kaltmiete aber von 630 auf 938 Euro steigen - um fast 50 Prozent. Die Vermieterin begründet den großen Schritt mit der falschen Wohnungsgröße.
Wie wurden Abweichungen bei der Wohnfläche bisher gehandhabt?
Nach derzeitiger Rechtsprechung muss eine Abweichung von bis zu zehn Prozent akzeptiert werden. Ist die Wohnung mehr als zehn Prozent kleiner als im Mietvertrag steht, kann ein Mieter die Miete kürzen. Ist sie mehr als zehn Prozent größer, kann der Vermieter mehr verlangen. Solche Fälle gebe es aber selten, sagt der Mieterbund.
Wird sich die Regelung jetzt ändern?
Das haben die Bundesrichter zumindest angedeutet. Der Senat erwäge, an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten, erklärte das Gericht nach einer Vorberatung. Stattdessen soll nur die tatsächliche Wohnfläche gelten. Sonst könne auch die ortsübliche Vergleichsmiete nur ungenau berechnet werden, die eine Grundlage für Mieterhöhungen ist, begründete der Senat.
Was halten Mieter und Vermieter davon?
Der Mieterbund befürwortet eine Änderung. Die bisherige Rechtsprechung stoße allgemein auf Unverständnis, sagt Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Auch neue Toleranzgrenzen - 3 oder 5 statt 10 Prozent - seien halbherzig und lösten das Problem nicht. Der Eigentümerverband Haus&Grund dagegen hält eine Toleranzregelung für nötig. Er hat Wohnungen in einem Praxistest vermessen lassen. Drei Experten kamen auf drei verschiedene Wohnflächen, mit Abweichungen von bis zu 16 Prozent. "Die tatsächliche Wohnfläche gibt es in der Praxis nicht", schließt Hauptgeschäftsführer Kai Warnecke daraus.
Schaltet sich die Politik ein?
Das haben Union und SPD zumindest angekündigt. Im Koalitionsvertrag von 2013 ist vereinbart, dass künftig die tatsächliche Wohnfläche entscheidend sein soll. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird im Frühjahr 2016 erwartet.