Viele offene Fragen im Griechenland-Poker
Stand: 26.05.2016
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Brüssel/Berlin - Lange wurde um die Beteiligung des Weltwährungsfonds am griechischen Reformprogramm verhandelt. Jetzt bewegen sich die Europäer - und der IWF will mitziehen. Kommt schon bald die nächste Krise?
Am Ende waren alle müde, aber zufrieden. Denn jeder konnte sich als Gewinner im Griechenland-Poker fühlen. Die Regierung in Athen bekommt gut zehn Milliarden Euro frisches Geld aus dem Euro-Rettungsschirm ESM. Die Geldgeber setzten weitgehende Spar- und Reformauflagen wie Rentenkürzungen durch. Und der stets auf Schuldenerleichterungen pochende Internationale Währungsfonds IWF beabsichtigt dank neuer Zusagen der Europäer, finanziell beim neuen Rettungsprogramm mitzuziehen. Doch nach sechs Jahren Griechenland-Krise mag kaum jemand daran glauben, dass nun endgültig die Wende erreicht ist und Griechenland bald wieder allein auf eigenen Füßen stehen kann.
Die Euro-Minister und der IWF verhandelten elf Stunden lang über Griechenland. Warum dauern Sitzungen so lange?
Umstritten waren vor allem Schuldenerleichterungen für das Krisenland, auf die der Weltwährungsfonds seit langem dringt. Unmittelbar vor dem Treffen veröffentliche die Washingtoner Finanzinstitution weitgehende Forderungen wie das Einfrieren von Zinsen für Hilfskredite. Nach langem Gezerre setzten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die anderen Ressortchefs durch, dass Schuldenmaßnahmen erst später, also nach Abschluss des Hilfsprogramms 2018, kommen können.
Ein Sieg für Schäuble & Co.? Ohne Zugeständnisse der Europäer?
Nein, so einfach ist es nicht. Auch sie mussten sich bewegen. Bei den umstrittenen Schuldenerleicherungen gibt es nun einen detaillierten Zeitplan, auch wenn die Formulierungen viele Schlupflöcher offen lassen. Konkrete Entscheidungen gab es nur bei Kurzfrist-Maßnahmen wie einem verbesserten Schuldenmanagement. Damit sollen Kosten gespart werden.
Warum war die jetzige Einigung für Schäuble so wichtig?
Er drang darauf, dass über weitere mögliche Schuldenerleichterungen erst dann gesprochen wird, wenn Wirkungen der Reform- und Sparmaßnahmen feststehen, also beim Programmende 2018. Was natürlich gut passt, steht im Herbst 2017 doch die nächste Bundestagswahl an. Mit dieser Frage müsste sich also die neue Bundesregierung befassen.
Hätte Schäuble denn Rückendeckung für Schuldenerleichterungen?
Weitergehende Schuldenentlastungen zum jetzigen Zeitpunkt mit dann echten finanziellen Einbußen für den Staat wären quasi ein viertes Rettungspaket - bevor das dritte überhaupt abgeschlossen wurde. Für einen solchen Schritt würde es im Bundestag durchaus eine Mehrheit geben - dank der Stimmen von SPD, Grünen und Linken. Aber die schwarz-rote Koalition dürfte dafür kaum die symbolisch wichtige eigene Mehrheit bekommen. Denn der Unmut in der Union ist jetzt schon recht groß - auch wegen anderer Themen und des Drucks durch die Rechtspopulisten von der AfD. Die Umfragewerte für die Union sind ebenfalls im Sinkflug, Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hätte große Mühe, die eigenen Reihen zu schließen.
Und wie wichtig ist für Berlin eine Beteiligung des IWF?
Die ist eine Bedingung des Bundestages und der Koalition insgesamt - quasi eine Geschäftsgrundlage. Das Parlament fordert dies von Schäuble - wie auch die Parlamente anderer Euro-Ländern. Ohne den IWF würde der Bundestag nicht mehr mitziehen. Und Schäuble geht es nicht nur um die Expertise des IWF, sondern auch um eine finanzielle Beteiligung des Welt-Währungsfonds - und das nicht nur symbolisch.
Und wie ist die Einschätzung in Brüssel?
Finanziell ist der IWF nicht nötig, die Eurostaaten haben inzwischen den Rettungsschirm ESM, der die Hilfsmilliarden ohne Probleme selbst stemmen kann. Es ist eher ein politisches Signal, dass die Geldgeber-Institutionen nach Jahren der Krise an einem Strang ziehen. Es ist aber noch nicht ausgemacht, ob der IWF tatsächlich finanziell mitzieht. Weitere Auseinandersetzungen sind deshalb nicht ausgeschlossen.
IWF-Chefin Christine Lagarde glänzte durch Abwesenheit?
Das Auftreten des Fonds wurde als unglücklich empfunden. Chefin Lagarde hielt sich auf Dienstreise in Kasachstan auf und schickte Europadirektor Poul Thomsen. "Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, der Managing Director (Lagarde) wäre anwesend gewesen", kommentierte Schäuble. "Das hätte ein Reihe von Stunden sparen können."
Muss der Bundestag insgesamt zustimmen?
Nein, es ist keine Abstimmung des Parlaments insgesamt nötig. Aber der Haushaltsausschuss des Bundestages wird sich anschließend mit der Entscheidung über die Freigabe der nächsten Hilfsmilliarden beschäftigen. Erst dann kann der Euro-Rettungsfonds ESM die nächste Auszahlung von 10,3 Milliarden Euro endgültig auszahlen.
Ist der "Grexit", also das Verlassen der Eurozone, noch ein Thema?
Nicht bei der Ministern der Eurogruppe. Aber der FDP-Europaparlamentarier Alexander Graf Lambsdorff bemängelt, dass es in Griechenland seit sechs Jahren keine Fortschritte gebe. "Viel sinnvoller wäre es, wenn Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfen der EU außerhalb der Eurozone zurückgewinnt", meint der Abgeordnete.