Trotz sprudelnden Einnahmen keine Einigung im Steuerstreit
Stand: 04.11.2011
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Berlin - Bund, Länder und Gemeinden können bis zum Jahr 2015 mit fast 40 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen rechnen als noch im Mai prognostiziert. Der Steuerschätzerkreis errechnete für 2011 bis 2015 gegenüber der Mai-Prognose ein Plus von 39,5 Milliarden Euro, wie das Bundesfinanzministerium am Freitag berichtete.
Im laufenden Jahr liegt die Einnahme-Prognose gegenüber der Mai-Schätzung um 16,2 Milliarden Euro höher. Insgesamt nimmt der Staat 2011 demnach 571,2 Milliarden ein - 40,6 Milliarden mehr als 2010. Der Bund, der im laufenden Jahr mit 9,3 Milliarden Euro mehr rechnen kann als im Mai veranschlagt, will vor allem die Neuverschuldung auf etwa 25 Milliarden Euro halbieren.
Schäuble: Spielraum für Steuersenkungen ist gering
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dämpfte jedoch umgehend Erwartungen an zusätzliche Entlastungen. "Der Spielraum ist eher gering", sagte er in Cannes am Rande des G20-Gipfels. Von den für den Bund 2012 erwarteten Mehreinnahmen von 2,7 Milliarden Euro gegenüber der Mai-Schätzung seien bereits 2 Milliarden verplant und in den Etat eingestellt.
Die jetzt vorgelegten Zahlen der Schätzer, die von Mittwoch bis Freitag in Halle tagten, seien nicht so "furchtbar überraschend", sagte Schäuble. Die Steuereinnahmen legten dank des stärkeren Wirtschaftswachstums 2011 wesentlich stärker zu. "Das entspricht dem Verlauf der Konjunktur", sagte der Minister. Aber schon 2012 werde sich der Zuwachs bei den Steuereinnahmen verlangsamen.
Die Bundesregierung geht in diesem Jahr von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von knapp drei Prozent aus. Im kommenden Jahr liegen die Wachstumserwartungen nur noch bei 1,0 Prozent. Für 2012 erwarten die Schätzer gesamtstaatlich nun 7,4 Milliarden mehr an Steuern als noch im Mai geschätzt. Insgesamt liegen die Steuereinnahmen dann bei 592 Milliarden Euro.
In einer Mitteilung des Finanzministeriums heißt es, der Konsolidierungskurs solle konsequent fortgesetzt werden. "Über die Beseitigung der kalten Progression hinaus gibt es haushalterisch keine Spielräume." Deutschland werde Schuldenbremse und europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten "und so Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive in Europa bleiben".
Abbau der kalten Progression im Fokus
Der Koalitionsausschuss will sich an diesem Sonntag unter anderem mit den auf dem Tisch liegenden Plänen zur Steuerentlastung beschäftigen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), sagte, Schäuble und FDP-Chef Philipp Rösler wollten dabei für ihre vor einigen Wochen vorgestellten Vorschläge zum Abbau der kalten Progression über die Einkommenssteuer werben. Eine Absenkung des Solidaritätszuschlages würde die kleinen und mittleren Einkommen nicht entlasten, sagte Kampeter.
Bisher zeichnet sich keine Einigung im schwarz-gelben Steuerstreit ab. Die Vorbesprechungen mit den Ministerpräsidenten zum Koalitionstreffen am Sonntag hätten keinen Durchbruch gebracht, hieß es in Koalitionskreisen. Aus der Union verlautete, Fraktionschef Volker Kauder (CDU) habe erhebliche Bedenken gegen die in CSU und FDP favorisierte Entlastung über eine Senkung des Solis. Kauder denke über Alternativen nach, bei denen gerade auch untere Einkommen profitieren würden.
Entlastungen durch Senkung der Energiesteuern?
Wie es in Koalitionskreisen hieß, wird als Alternative zur Entlastung über den Soli oder die Einkommensteuer über einen Weg bei den Energiesteuern nachgedacht. Aktuell betrage die Steuern- und Abgabenlast beim Strompreis rund 40 Prozent. In der Koalition gebe es aber auch gegen diesen Vorschlag erhebliche Bedenken. In der FDP war zu hören, die Soli-Variante werde weiterhin favorisiert.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Freitag) berichtete, Kauder und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle arbeiteten an einem Kompromiss, bei dem die Senkung von Verbrauchssteuern etwa auf Energie, Strom und Tabak oder auf Kaffee, Sekt und Branntwein in Betracht komme. CSU-Chef Horst Seehofer dringt vor dem Koalitionstreffen auf eine Lösung. Der bayerische Ministerpräsident brachte eine Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums in die Diskussion ein.