Teure Filialen und viel Bürokratie: Sparkassen müssen umdenken
Stand: 15.03.2016
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Frankfurt/Main - Zinstief, teure Regulierung, schlecht ausgelastete Filialen - Deutschlands Sparkassen kämpfen an vielen Fronten. "Die Stabilität des Sparkassensektors ist nicht in Stein gemeißelt", warnte EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch im Januar bei einer Veranstaltung des Bayerischen Sparkassenverbandes. Was ist los im öffentlich-rechtlichen Lager?
Wie wirkt sich die Niedrigzinsphase aus?
Sparkassen verdienten lange gut daran, für Kredite mehr Geld zu kassieren als sie ihren Kunden an Zinsen fürs Sparen zahlten. Doch die Differenz aus den beiden Positionen, der sogenannte Zinsüberschuss, wird tendenziell kleiner, weil die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf fast Null gesenkt hat. Der Zinsüberschuss ist die wichtigste Ertragssäule der Sparkassen. "Noch ist die Ertragslage der kleineren und mittelgroßen Institute und damit auch der Sparkassen solide", konstatierte Mersch. Doch der Notenbanker mahnte: "Angesichts geringer Zinsmargen gehören die traditionellen Geschäftsmodelle auf den Prüfstand." Die kleineren und regionalen Institute hätten ihre Geschäftsmodelle in den vergangenen 50 Jahren "praktisch gar nicht angepasst", urteilte Mersch.
Ist der sinkende Zinsüberschuss das einzige Problem in der Bilanz?
Sorge bereitet den Instituten zudem, dass immer mehr Kunden Gelder kurzfristig parken - während bei Krediten möglichst lange Laufzeiten gefragt sind. Bei den Sparkassen in Hessen und Thüringen etwa machen täglich fällige Gelder fast zwei Drittel der Kundengelder aus. "Das ist natürlich auch ein operationelles Risiko", warnte der geschäftsführende Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, Gerhard Grandke. Denn bei steigenden Zinsen könnten Kunden ihre Einlagen rasch abziehen.
Wie gehen die Institute mit Strafzinsen der EZB um?
Die EZB verlangt von Banken Strafzinsen, wenn sie Geld über Nacht bei der Notenbank parken. Das soll die Institute zu mehr Krediten drängen, um damit das Wachstum anzukurbeln. Einige bayerische Sparkassen rechnen bereits durch, ob es nicht günstiger wäre, Geld im eigenen Tresor liegen zu lassen. Allerdings ist das vorerst nur Theorie, denn auf die Geldhäuser kämen in so einem Fall zum Beispiel hohe Kosten für zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zu. Die Strafzinsen an Privatkunden weiterreichen wollen die meisten Kreditinstitute bislang nicht. Bei institutionellen Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds jedoch müsse "die Parkgebühr mitbezahlt werden, das können wir nicht drauflegen", sagt Grandke.
Was wird aus dem teuren Filialnetz?
"Es wird niemand eine Filiale an Orten aufrechterhalten können, die alle Bereiche anbietet, wenn am Tag nur zehn Kunden kommen" - was der Präsident des Genossenschaftsverbandes, Michael Bockelmann, für die Volks- und Raiffeisenbanken feststellt, gilt gleichermaßen für die Sparkassen. In Bayern etwa werden viele Sparkassen-Kunden künftig weitere Wege auf sich nehmen müssen: Von den 2200 Geschäftsstellen sollen in diesem Jahr bis zu 220 geschlossen werden. Inzwischen komme ein Kunde im Schnitt nur einmal pro Jahr in eine Filiale, nehme aber 108 Mal jährlich online Kontakt auf, begründete der bayerische Sparkassenpräsident Ulrich Netzer: "Der Kunde geht nicht mehr in die Geschäftsstelle." Nach jüngsten DSGV-Zahlen unterhalten bundesweit 409 Sparkassen (Stand Januar 2016) zusammen knapp 14 900 Geschäftsstellen - inklusive Selbstbedienungspunkten.
Steht eine Fusionswelle bevor?
"Es wird zunehmend Fusionen allein deshalb geben, damit die Institute den bürokratischen Aufwand überhaupt noch bewältigen können", sagte DSGV-Präsident Georg Fahrenschon im Februar dem "Handelsblatt". "Gerade kleine Institute kommen durch die Flut immer neuer Regeln und bürokratischer Auflagen mächtig unter Druck, selbst wenn ihr Geschäft gut läuft." Der Präsident des Bankenverbandes VÖB, Gunter Dunkel, macht Mut: "Die Sparkassen sind nicht kaputt zu kriegen."
Stichwort Digitalisierung: Wie sieht die Antwort der Sparkassen aus?
Bei der Einführung moderner Techniken hakte es bisweilen - Beispiel Paydirekt: Während Privat- und Genossenschaftsbanken beim gemeinsamen Online-Bezahlverfahren der deutschen Kreditwirtschaft von Anfang an mitmachten, zögerten die Sparkassen. Noch im September 2015 bremste Fahrenschon: "Wir legen allergrößten Wert auf Sicherheit und Qualität." Neueste Verschlüsselungstechnologien müssten umfangreich erprobt werden. Wenig später schalteten Hypovereinsbank (HVB) und Commerzbank das Paypal-Konkurrenz-Angebot frei. Mit Paydirekt können Kunden Interneteinkäufe über ihr Girokonto bezahlen. Ab Ende April 2016 sollen auch alle Sparkassen an das System angeschlossen sein.
Sind sechs Landesbanken-Konzerne nicht zu viel?
Die Diskussion über die Zahl der Landesbanken ist ein Dauerbrenner. Viele der von der jeweiligen Landesregierung gehegten Institute bekamen nach der Finanzkrise und staatlichen Rettungsmilliarden Druck aus Brüssel. Am härtesten traf es die Düsseldorfer WestLB: Die einst größte Landesbank Deutschlands wurde zum 30. Juni 2012 zerschlagen. Die große Marktbereinigung jedoch blieb aus. Und so konkurrieren weiterhin sechs Landesbanken-Konzerne um die Gunst der Kunden - und nicht zwei oder drei, wie es die Befürworter einer stärkeren Konzentration gerne hätten. Fahrenschon findet den Status quo gar nicht schlecht: "Wir sind mit der derzeitigen Zahl von Landesbanken nicht weit entfernt von einer optimalen Struktur. Eine einzige wie bei den Genossen sollte es nie sein."