Tauziehen um Fiskalpakt: Kommunen und Länder leisten Widerstand
Stand: 11.06.2012
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Berlin - Das Ringen um die Verabschiedung des Fiskalpaktes in Deutschland geht in dieser Woche in die entscheidende Phase. Am Mittwoch trifft sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur abschließenden Verhandlungsrunde mit den Spitzen von Koalition und Opposition. Am Donnerstag berät sie mit den Ministerpräsidenten der Länder. Was angesichts des parteipolitischen Pokers in Berlin lange unbemerkt geblieben ist: Der Widerstand der Länder und Kommunen ist für die Bundesregierung viel gefährlicher als das Kräftemessen mit der Opposition.
Warum ist das so?
Egal worauf sich Koalition der Opposition am Mittwoch im Kanzleramt einigen: Zunächst einmal sind dies nur Absichtserklärungen. Darauf wird zurzeit insbesondere in der FDP hingewiesen, in der sich viele darüber ärgern, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel ihre Kompromisssignale im Streit um eine Finanzmarktsteuer sofort als "180-Grad-Wende" der Koalition verkauft hat. Beim Tauziehen mit den Ländern aber geht es um viel mehr als um politische Initiativen. Der Fiskalpakt greift tief in die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen ein; jede Veränderung ist kompliziert und hat weitreichende Folgen.
Welche Probleme sehen Länder und Kommunen?
Sie befürchten, finanziell abgeschnürt zu werden, weil der europäische Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin anfangs weit über die Sparvorgaben der deutschen Schuldenbremse hinausgeht. So werden Bund und Länder verpflichtet, für die Haushaltsjahre ab 2014 Obergrenzen für die Kreditaufnahme sowie konkrete Pläne für den Abbau ihres Strukturdefizits in gleichmäßigen Jahresschritten vorzulegen. Die Lage der Kommunen muss dabei zwar nicht berücksichtigt werden, die Länder müssen aber für ihre Kommunen haften.
Was wollen die Länder?
Sie fordern, dass der Bund für ihre zusätzlichen Risiken und Kosten geradesteht, die Ländern und Kommunen durch die Sparvorgaben entstehen. In einem Positionspapier, das der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" vorliegt, verlangen die SPD-Länder unter anderem, dass der Bund mögliche Strafzahlungen an die EU übernimmt. Aber auch unionsgeführte Länder pochen darauf, dass der Bund ihnen Lasten ersetzt, die den Kommunen durch die strikten Sparvorschriften entstehen. Dazu gehöre etwa die Übernahme der Kosten für die Eingliederung von Behinderten, die sich jährlich auf 13 Milliarden Euro summieren.
Wie groß ist der Zeitdruck?
Sehr groß. Die Bundesregierung möchte, dass der Fiskalpakt zusammen mit dem Vertrag über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM unbedingt noch vor der Sommerpause gebilligt wird, um ein Signal an die Märkte zu setzen. Dafür ist in Bundestag und Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Der ESM tritt am 1. Juli in Kraft, die Koalition dringt daher auf eine Ratifizierung möglichst noch Ende Juni. Der Bundesrat tagt zum letzten Mal am 6. Juli vor der Sommerpause.
Wie ist der Stand bei den Gesprächen mit den Opposition?
Im Streit über eine Finanzmarktsteuer gibt es eine Annäherung, aber noch keine endgültig Einigung. Tatsächlich hat sich eine Arbeitsgruppe am Donnerstag nur auf Eckpunkte verständigt. Grundlage ist ein Vorschlag der EU-Kommission. Danach soll der Handel mit fast allen Finanzprodukten, auch Devisen und Derivaten, besteuert werden.
Die Bundesregierung sagt zu, sich weiter für eine Einigung aller 27 EU-Staaten auf eine Finanztransaktionssteuer einzusetzen. Wenn das auf dem EU-Gipfel Ende Juni wie erwartet scheitert, will man mit möglichst vielen, mindestens aber neun EU-Staaten eine Lösung suchen.
Wo verlaufen die Fronten bei den anderen Streitpunkten?
Neben einer Finanztransaktionssteuer fordern SPD und Grüne vor allem zusätzlichen Wachstumsimpulse. Die Koalition hat ihnen zwar zugesagt, sich für gemeinsame Wachstumsinitiativen in der EU starkzumachen, weitere Konjunkturpakete schließt Schwarz-Gelb aber aus. Unionsfraktionschef Volker Kauder bekräftigte am Wochenende noch einmal, dauerhaftes Wachstum sei nur durch Strukturreformen zu erzielen. Auf Granit beißt die Opposition auch mit ihrer Forderung nach einem Altschuldentilgungsfonds für Schuldenstaaten in der Eurozone; die Koalition lehnt dies als Vergemeinschaftung von Schulden ab.
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