Spanien flüchtet unter den Rettungsschirm
Stand: 11.06.2012
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Madrid/Brüssel - Spanien hat als viertes Land der Eurozone Hilfen aus dem europäischen Rettungsfonds EFSF beantragt. Das Land darf nun auf Notkredite in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro zur Sanierung seiner Banken hoffen. Die deutsche Bundesregierung begrüßte den Schritt der der Finanzminister der Eurozone.
Die Spanien-Hilfe ist eine doppelte Premiere: Erstmals funkt ein Schwergewicht der Eurozone SOS. Und anders als in Griechenland, Portugal und Irland wird es erstmals spezielle Hilfen zur Stabilisierung des wankenden Bankensystems geben.
Damit entgeht die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone den in Madrid befürchteten strengen Auflagen und Kontrollen seines Staatsbudgets. Aber Spanien muss seinen Bankensektor reformieren und für marode Geldhäuser Sanierungspläne vorlegen. Das könnte im Extremfall auch die Schließung einzelner Institute bedeuten. Die Auflagen werden sich an den EU-Beihilferegeln orientieren.
Hilfsaktion löst weltweit Erleichterung aus
"Die Kredite werden umfangreich genug sein, um einen Damm zu bilden, der alle möglichen Kapitalbedürfnisse auffangen kann", heißt es in einer Erklärung der Minister. "Die Kreditsumme muss alle geschätzten Kapitalbedürfnisse plus eine zusätzliche Sicherheitsmarge umfassen, was sich schätzungsweise auf insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro summiert." Die Notkredite werden an den spanischen Bankenrettungsfonds Frob fließen, der es an notleidende Banken weitergebe. Verantwortlich für die Rückzahlung werde die spanische Regierung sein.
Die Hilfsaktion für Spanien löst weltweit Erleichterung aus: US-Finanzminister Timothy Geithner sprach von einem konkreten Schritt auf dem Weg zu einer Fiskalunion, die für die Belastbarkeit der Eurozone lebenswichtig sei. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, erklärte, die Höhe der Notkredite von bis zu 100 Milliarden Euro passten zu dem vom IWF festgestellten Kapitalbedarf. Der IWF hatte bei bisherigen europäischen Rettungsaktionen stets rund ein Drittel der Finanzlasten getragen, bleibt bei der Spanien-Hilfe aber außen vor.
Positives Echo auch aus der Bundesregierung
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach von einem richtigen und notwendigen Schritt. "Ich gehe davon aus, dass das wesentlich dazu beitragen wird, Transparenz zu schaffen und das Vertrauen an den Finanzmärkten zu stabilisieren."
Bundesbankpräsident Jens Weidmann äußerte sich zuversichtlich, dass die Finanzmittel den gewünschten Erfolg erzielen. "Ich habe Vertrauen in die spanische Regierung, die ja bereits am Arbeitsmarkt umfassende Strukturreformmaßnahmen vorgenommen haben", sagte Weidmann im ARD-"Bericht aus Berlin". "Aber auf diesem Weg müssen sie weitergehen."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betonte, dank bisheriger Reformen seien die größten spanischen Banken gut durch die Krise gekommen und stünden stabil da. "Ein Teil des Finanzsektors muss jedoch noch die Nachwirkungen des Platzens der spanischen Immobilienblase verarbeiten", ließ Schäuble mitteilen.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy sprach am Sonntag von einem Erfolg für Europa und trat dem Eindruck entgegen, das Land habe auf internationalen Druck gehandelt: "Mich hat niemand dazu gedrängt, die EU um Hilfen zu bitten. Im Gegenteil, ich war derjenige der gedrängt hat."
Ein offizieller Antrag wird von Madrid erst in den nächsten Wochen vorgelegt, wenn der genaue Kapitalbedarf beziffert werden kann. Die Regierung wartet dazu laut Wirtschaftsminister Luis de Guindos noch auf zwei Gutachten der Beratungsgesellschaften Oliver Wyman (USA) und Roland Berger (Deutschland). Diese sollen noch im Juni kommen, sagte de Guindos. Rajoy sagte zur Summe von 100 Milliarden Euro: "Die Erfordernisse des spanischen Bankensektors sind nicht so groß. Aber die spanische Regierung entschied, um ein zusätzliches Polster zu bitten. Damit sollte für die Märkte ein klares Zeichen gesetzt werden."
Der IWF hält einen akuten Krisenpuffer von mindestens 40 Milliarden Euro für nötig. Der tatsächliche Kapitalbedarf sei aber wegen möglicher Kosten für Restrukturierungen und Kreditausfälle sogar bis zu doppelt so hoch, sagte eine IWF-Mitarbeiterin in einer Telefonkonferenz.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Währungskommissar Olli Rehn sicherten Madrid die Unterstützung der EU-Kommission zu. "Wir sind sicher, dass Spanien schrittweise das Vertrauen der Investoren und Marktteilnehmer zurückgewinnen kann."
Zunächst muss geprüft werden
Der Rettungsfonds EFSF kann Staaten auch Notkredite gewähren, um taumelnden großen Banken zu helfen. Bei solch einer "weichen Rettung" würde das Geld ausschließlich für den Finanzsektor eingesetzt. Entsprechend sind die Auflagen niedriger als bei Hilfsgeldern für den Staatshaushalt als Ganzes.
Nach Vorlage eines Antrags muss zunächst die EU-Kommission mit der Europäischen Zentralbank und der EU-Finanzaufsicht prüfen, ob die Voraussetzungen für EFSF-Kredite an Spanien zur Bankenrekapitalisierung vorliegen. Erst danach kann die Eurogruppe die Hilfe billigen.
Aus dem EFSF erhalten bereits die drei Länder Portugal, Irland und Griechenland Nothilfen für den Haushalt als Ganzes. Sie müssen dafür weitreichende Reform- und Sparauflagen - nicht nur in der Bankenbranche - einhalten. In Irland ging es seinerzeit zwar auch um massive Probleme im heimischen Bankensektor. Seinerzeit gab es aber noch nicht die Möglichkeit, spezielle Bankenhilfe im Rahmen des europäischen Rettungsfonds zu bewilligen.
Spanien kämpft gegen eine massive Bankenkrise und steckt in der Rezession. Allein die Krisenbank Bankia will vom Staat für seine Sanierung insgesamt mehr als 23 Milliarden Euro. Vor allem eine Vielzahl "fauler" Immobilienkredite hat die Bankenbranche in die Krise gestürzt.
Der Staat, der selbst unter einer hohen Schuldenlast ächzt, hat das Geld zur Bankenrettung nicht in der Kasse. Er kann es sich auch nicht ohne weiteres auf den Kapitalmärkten besorgen, weil Spanien - wie Finanzminister Christóbol Montoro zuletzt selbst einräumte - dort keine Kredite zu erschwinglichen Bedingungen mehr erhält.