Schwache Inflation und weniger Wachstumsrisiken in Europa
Stand: 10.03.2017
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Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht nach wie vor eine sehr lockere Geldpolitik für gerechtfertigt, da die grundlegende Inflationsdynamik trotz höherer Inflationsraten anhaltend schwach sei. Zuversichtlicher gebe sich die EZB jedoch bei der konjunkturellen Entwicklung im Euroraum.
Der unterliegende Preisdruck sei nach wie vor verhalten, sagte Draghi. Die zuletzt höhere Inflation sei vor allem auf steigende Energie- und Lebensmittelpreise zurückzuführen. Im Februar war die Inflationsrate im Euroraum auf 2,0 Prozent gestiegen, in Deutschland auf 2,2 Prozent. Dies entspricht in etwa dem Inflationsziel der EZB.
Es gebe jedoch keine Anzeichen, dass sich die grundlegende Inflationsdynamik - also außerhalb Energie und Lebensmitteln - verstärke, schränkte Draghi ein. Die für die Inflation wichtige Lohnentwicklung habe noch nicht angezogen.
EZB etwas optimistischer
Mit Blick auf die konjunkturelle Entwicklung gibt sich die Notenbank zuversichtlicher. Die wirtschaftlichen Risiken seien weniger stark ausgeprägt, sagte Draghi, sie deuteten jedoch nach wie vor nach unten. Jüngste Stimmungsindikatoren zeigten ein etwas höheres Wachstumstempo an. Insgesamt habe sich das Risikoprofil für das Wirtschaftswachstum verbessert, sagte Draghi. So gebe es auch Anzeichen für eine verbesserte weltwirtschaftliche Entwicklung.
"Draghi sendet weiterhin die Botschaft, dass die Inflation ohne die expansiven EZB-Maßnahmen keine Eigendynamik entwickeln könne", kommentierte Jan Holthusen, Ökonom bei der DZ-Bank. Dennoch erscheine die Einschätzung der Risiken und der konjunkturellen Entwicklung weniger pessimistisch als noch vor einigen Monaten. Dies sei eine "etwas widerwillige" Anerkennung der konjunkturellen Verbesserung, aber auch ein wenig Eigenlob über den Erfolg der Zentralbankpolitik, so Holthusen.
Optimistischere Projektionen
Größerer Optimismus schlug sich auch in den Wachstums- und Inflationsprognosen der Notenbank nieder. Für 2017 und 2018 wurden die Projektionen sowohl für das Wirtschaftswachstum als auch für die Inflationsentwicklung angehoben. Für 2019 - das ist die für die EZB-Geldpolitik entscheidende mittlere Frist - blieben die Prognosen jedoch unverändert.
Auch in der Erklärung der Notenbank zum Zinsentscheid finden sich Hinweise auf eine etwas optimistischere Haltung der EZB. Draghi sagte dazu auf Rückfrage, dass sich die Notenbank nicht mehr in einer so dringlichen Lage sehe, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Beispielsweise seien frühere Deflationsgefahren weitgehend verschwunden.
Draghi unterstrich auch, dass im EZB-Rat nicht über neue Langfristkredite (TLTROs) diskutiert worden sei, obwohl im März die letzte dieser Operationen durchgeführt wird. Es habe niemand im Rat die Notwendigkeit gesehen, über die Möglichkeit zusätzlicher TLTROs zu diskutieren, sagte Draghi. Auch dies kann als Ausdruck größerer Zuversicht interpretiert werden.
Lockere Geldpolitik wird fortgesetzt
Vor den Äußerungen des Notenbankchefs hatte die EZB ihre extrem lockere Geldpolitik bestätigt. Der wichtigste Leitzins beträgt damit weiterhin null Prozent. Für Einlagen bei der EZB müssen die Geschäftsbanken eine Art Strafzins zahlen, was die Kreditvergabe anheizen soll. Die Anleihekäufe zur Konjunkturbelebung werden unverändert bis mindestens Ende 2017 fortgeführt, ab April jedoch mit einem geringeren monatlichen Volumen von 60 Milliarden statt 80 Milliarden Euro. Signale einer baldigen Straffung ihrer Geldpolitik sendete die EZB nicht aus.
Die meisten Ökonomen erwarten auch aus politischen Gründe keinen baldigen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik. "In Frankreich steht mit Marine Le Pen eine Kandidatin zur Wahl, die eine Gegnerin des gegenwärtigen Währungssystems ist", sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank. Die EZB werde über das wichtige Wahljahr 2017 ihre schützende Hand halten. "Vermutlich werden wir in den kommenden Monaten relativ langweilige EZB-Sitzungen sehen", so Gitzel.