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Riskante Zinswetten: Deutsche Bank muss Schadensersatz zahlen

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd

Karlsruhe - Der Bundesgerichtshof hat die Deutsche Bank wegen empfohlener hoch riskanter Zinswetten in einem Musterprozess zu Schadensersatz verurteilt. Die Bank muss nun einer Papierfirma aus Hessen über 540.000 Euro zahlen, weil sie ihre Beratungspflichten beim Abschluss eines Swap-Vertrages verletzt hat, urteilte der BGH am Dienstag in Karlsruhe. Nach Aussagen des Anwalts der Firma könnten nun Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe auf die Deutsche Bank und andere Kreditinstitute zukommen.

Der BGH-Entscheidung wird Signalcharakter zugeschrieben, da zahlreiche Kommunen und mittelständische Unternehmen mit solchen Swap-Geschäften Millionenverluste erlitten und gegen die Deutsche Bank geklagt haben. Die Rechtsprechung der unteren Gerichte war bislang uneinheitlich. Der BGH betonte nun, dem Kunden müsse "in verständlicher und nicht verharmlosender Art und Weise" klar vor Augen geführt werden, dass das für ihn nach oben nicht begrenzte Verlustrisiko bei solchen Zinswetten "ruinös" sein könne.

Der Anwalt der Papierfirma, Jochen Weck, sagte in Karlsruhe, nun könnten auch alle anderen betroffenen Kunden Schadenersatz verlangen. Er rechne mit Forderungen in Höhe von insgesamt rund einer Milliarde Euro gegen die Banken. Allein das streitige Produkt im vorliegenden Fall sei 700 Mal verkauft worden, wobei die betroffenen Kommunen und Unternehmen einen Schaden von durchschnittlich einer Million Euro erlitten hätten. Der BGH habe mit seinem Urteil "Rechtsgeschichte" geschrieben.

Deutsche Bank fürchtet "keine Klageflut"

Der Anwalt der Deutschen Bank, Christian Duve, betonte in Karlsruhe: "Wir fürchten keine Flut von Klagen." Die von der Klägerseite in den Raum gestellten Beträge könnten aber insgesamt die Dimension von Swap-Geschäften bei allen Banken betreffen. Für die Deutsche Bank sei die Zahl der verbliebenen Rechtsstreitigkeiten um Swap-Geschäfte und deren Streitwert "überschaubar". Viele Verfahren seien in den vergangenen vier Jahren schon rechtskräftig entschieden worden. Die Bank habe dennoch eine "angemessene Risikovorsorge" getroffen, betonte Duve. In der Revisionsverhandlung hatte die Deutsche Bank noch vor einer neuen Bankenkrise gewarnt, sollte der BGH der klagenden Firma recht geben.

Zu der vom BGH festgestellten Verletzung der Beratungspflicht sagte Duve, die Deutsche Bank werde nun sorgfältig prüfen, inwieweit künftig "mit Blick auf den Faktor Risiko der Umfang der Beratung erweitert wird".

Den Gemeinden und Firmen ging es mit dem Abschluss der komplizierten Swap-Verträge ("Tausch"-Verträge) darum, ihre Zinslasten zu senken. Bei diesen Anlageprodukten wurde letztlich darauf gewettet, wie sich kurz- und langfristige Zinsen entwickeln. Doch die Prognose, dass die Langfristzinsen deutlicher anwachsen würden und somit die Spreizung zunehmen würde, erfüllte sich nicht - stattdessen stiegen die Kurzfristzinsen. Die Folge: Verluste für die Anleger.

Die Ille Papier-Service GmbH aus Altenstadt bei Frankfurt hatte der Bank vorgeworfen, bei der Empfehlung für einen Spread Ladder Swap-Vertrag nicht ausreichend über die Risiken des Finanzprodukts aufgeklärt zu haben und sie auf Schadensersatz verklagt. Die Deutsche Bank muss dem Unternehmen nun 541.074 Euro plus Zinsen zahlen.

Das Geschäft war der Papierfirma in zwei Beratungsgesprächen am 7. Januar und 15. Februar 2005 von der Deutschen Bank empfohlen worden. Die Prognose lautete, dass sich die Differenz ("Spread") zwischen dem Zwei-Jahres-Zinssatz und dem Zehn-Jahres-Zinssatz künftig voraussichtlich deutlich ausweiten werde. Der Vertrag erwies sich für die Firma jedoch als Verlustgeschäft, weil ab Herbst 2005 die für die Berechnung ihrer Zinszahlungspflicht relevante Zinsdifferenz fortlaufend abnahm.

In beiden Vorinstanzen - zuletzt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main - hatte die Firma verloren. Der 11. Zivilsenat des BGH gab der Revision des Unternehmens nun im Wesentlichen statt.

(AZ: XI ZR 33/10 - Urteil vom 22. März 2011)