Rezept gegen kalte Progression bei der Steuer
Stand: 31.07.2014
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Köln - 3,8 Milliarden Euro nimmt der Staat jährlich ein, weil Normalverdiener bei einem durchschnittlich Gehaltsplus einen höheren Steueranteil zahlen. Kalte Progression heißt das und sie abzuschaffen, wäre finanzierbar. Die Zahlen hat das Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) für 2015 und 2016 berechnet.
Eine Abschaffung der kalten Progression würde alle Steuerzahler um durchschnittlich 98 Euro pro Jahr entlasten. Jedes Jahr profitiert der Staat durch zusätzliche Einnahmen in Milliardenhöhe: Wer mehr verdient, zahlt einen höheren Anteil seines Einkommens an Steuern. Das gilt selbst dann, wenn die Einkommen real gar nicht steigen, sondern die Lohnerhöhung nur die Inflation ausgleicht.
Wird der Steuertarif nicht oder nur unzureichend an diese so genannte kalte Progression angepasst, ergeben sich über die Jahre hinweg immense schleichende Mehrbelastungen. Ausgehend von 2007 - seit damals hat sich die Tarifstruktur der Einkommenssteuer nicht mehr verändert - summieren sich die Steuermehrbelastungen der Bürger im Jahr 2014 auf 7,6 Milliarden Euro.
Nach aktuellen Berechnungen des RWI würde die Abschaffung der kalten Progression den Fiskus in den Jahren 2015 und 2016 jeweils nur knapp 3,8 Mrd. Euro kosten. Dafür müssten die Steuertarife an die Verbraucherpreise gekoppelt werden. Außerdem sollte der Grundfreibetrag ohnehin an das jeweilige Existenzminium angepasst werden. Kalkuliert man diesen zweiten Faktor ein, entgingen dem Staat sogar nur 2,2 Milliarden Euro jährlich. Aufgrund der derzeit hohen Steuereinnahmen wäre eine Abschaffung der kalten Progression daher auch ohne umfangreiche Gegenfinanzierung auf der Einnahmenseite vertretbar.
Vermögende in Zahlen stärker entlastet
Ein Großteil der Bevölkerung würde profitieren. Für steuerlich einzeln Veranlagte mit einem jährlichen Bruttoeinkommen zwischen 10 000 und 20 000 Euro würde sich die Steuerlast um 11,9 Prozent, für gemeinsam Veranlagte mit einem Einkommen zwischen 20 000 und 30 000 Euro sogar um 14 Prozent reduzieren.
Danach nehmen die relativen Entlastungseffekte kontinuierlich ab, bis die Entlastung bei den gemeinsam Veranlagten ab einem Bruttojahreseinkommen von über 120 000 Euro bzw. bei den übrigen Veranlagungsarten bereits ab einem Einkommen von 80 000 Euro weniger als ein Prozent gegenüber der derzeitigen Steuerlast beträgt.
Absolut betrachtet würde eine Abschaffung der kalten Progression zwar Bezieher hoher Einkommen stärker entlasten als Geringverdiener. Allerdings zahlen die höheren Einkommen im progressiven Steuertarif insgesamt einen höheren Anteil ihres Einkommens an Steuern.