Rentenbeitrag sinkt um 0,7 Prozent
Stand: 22.10.2012
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Berlin - Der Rentenbeitragssatz dürfte Anfang 2013 auf den niedrigsten Stand seit 1995 fallen - das ist so gut wie beschlossen. Opposition, Sozialverbände und Gewerkschaften lehnen die geplante Senkung ab und warnen vor einem Wahlgeschenk.
Der Rentenbeitrag dürfte Anfang kommenden Jahres von derzeit 19,6 auf 18,9 Prozent sinken - und damit auf den niedrigsten Stand seit 18 Jahren. Diese Entscheidung zeichne sich nach jüngsten Berechnungen ab, sagte der Sprecher von Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU), Jens Flosdorff, am Freitag in Berlin. Arbeitnehmer und Arbeitgeber würden damit um jeweils rund drei Milliarden Euro entlastet. Zuletzt hatte Schwarz-Gelb eine Senkung auf 19,0 Prozent angepeilt.
Nur ein Wahlkampfgeschenk?
Sozialverbände, Gewerkschaften und Opposition lehnten die geplante Kürzung als Wahlkampfgeschenk der Koalition ab. Sie verlangten unter anderem, Geld aus den gewachsenen Rentenrücklagen in die Sicherung der Altersvorsorge zu stecken. Der Bund der Steuerzahler äußerte sich dagegen ebenso wie die Versicherungswirtschaft positiv. Mit einer Senkung auf 18,9 Prozent würde im Bundestagswahljahr der Beitragssatz erstmals seit 1995 die Schwelle von 19 Prozent wieder unterschreiten.
Der Schätzerkreis der Rentenversicherung habe turnusgemäß vom 16. bis 18. Oktober getagt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Senkung auf 18,9 Prozent möglich sei, sagte Flosdorff. Die Finanzlage der Rentenversicherung habe sich im Vergleich zum Sommer positiv entwickelt. Auch die in dieser Woche veröffentlichte Wirtschaftsprognose habe dazu beigetragen, "dass man zu diesem erfreulichen Ergebnis gekommen ist".
Das entsprechende Gesetz sei im August vom Kabinett verabschiedet worden. In dem Entwurf müsse in den parlamentarischen Beratungen nur die Beitragszahl verändert werden, sagte Flosdorff. Dann müssen Bundestag und Bundesrat noch grünes Licht geben. Die Entscheidung über das Rentengesetz steht auf der Tagesordnung des Bundestages für kommenden Donnerstag.
"Ein Horten der Rücklagen darf es nicht geben"
Die "eiserne Reserve" der Rentenkasse dürfte zum Jahresende auf 28,8 Milliarden Euro steigen, knapp das 1,7-fache einer Monatsausgabe - oder sogar noch höher. Laut Gesetz ist der Beitrag zu senken, wenn die Rücklage das 1,5-fache einer Monatsausgabe übersteigt.
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, warnte: "Ein Horten der Rücklagen darf es nicht geben." Die Regierung sei verpflichtet, die Versicherten zu entlasten, wenn die Reserven der Rentenversicherung das zuließen. Ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft erklärte, die durch die Senkung geschaffenen Freiräume könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch für eine betriebliche oder private Altersversorgung nutzen.
"Die Zeche zahlen kommende Generationen"
SPD-Fraktionsvize Elke Ferner kritisierte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Sozialministerin von der Leyen schöben rechtzeitig vor der Bundestagswahl "alle Gedanken an ein nachhaltig finanziertes Rentensystem beiseite. (...) Die Zeche werden kommende Generationen zahlen." Linke-Chefin Katja Kipping sagte der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" (Samstag): "Angesichts sinkender Rentnerkaufkraft und einer riesigen Rentenlücke zwischen Ost und West passen Beitragssenkungen einfach nicht in die Landschaft." Nötig sei vielmehr, die Ostrenten an Westniveau anzugleichen und einer weiteren Absenkung des Rentenniveaus unter 50 Prozent einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, sprach von einem völlig falschen Signal. Stattdessen sollten die Überschüsse genutzt werden, um Altersarmut zu bekämpfen. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erklärte, eine Senkung des Rentenbeitrags widerspreche den demografischen Herausforderungen. Die Koalition solle lieber die Praxisgebühr abschaffen.