Ratingagentur entzieht Großbritannien Top-Bonität
Stand: 25.02.2013
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London/Berlin - Die Ratingagentur Moody's hat Großbritannien die Top-Bonität Aaa entzogen. Das Land trägt nun die Note Aa1. Damit wurde der Schritt vollzogen, der sich bereits seit Monaten ankündigte und keine Überraschung mehr bedeutete.
Spätestens seit Finanzminister George Osborne Anfang Dezember in seinem Herbststatement zugeben musste, dass er beim Schuldenabbau völlig aus dem Tritt gekommen ist und der Zeitplan keinesfalls eingehalten werden kann, war klar: Lange wird die Top-Bonität nicht mehr zu halten sein. Herabstufungen durch andere Ratingagenturen könnten nun folgen.
Premierminister David Cameron hatte bereits im Januar vorgebeugt: Die Meinung der Märkte sei wichtiger als die der Ratingagenturen, sagte Cameron damals der BBC. Seine Regierung war im Mai 2010 mit dem eisernen Willen angetreten, die Schulden des Inselstaates zu drücken. Sie ließen eine Rotstift-Politik mit nie dagewesenem Sozialabbau, Kürzungen in allen öffentlichen Bereichen, verdreifachten Studiengebühren und Massenentlassungen im öffentlichen Dienst folgen. Osborne machte nach Bekanntwerden der Entscheidung von Moody's sofort klar: "Es gibt keinen Plan B" - der Sparkurs wird weitergefahren.
Regierung will Wirtschaftsstruktur verändern
Neben dem Sparen will die konservativ-liberaldemokratische Regierung in Westminster die in Schieflage geratene Wirtschaftsstruktur verändern. Weg von der zu starken Konzentration auf den Finanzsektor, hin zu industrieller Produktion: "Echte Dinge", wie Cameron es einmal ausdrückte, müssten von Großbritannien aus wieder in die Welt exportiert werden, nicht nur Luftschlösser aus den Investmentabteilungen der Banken und Schattenbanken in der Londoner City.
So weit die Theorie. In der Praxis greift die Politik Camerons nicht. Der rigide Sparkurs hat das Wachstum abgewürgt und damit auch die Steuereinnahmen. Im Jahr 2012, als die Konjunktur durch die Olympischen Spiele in London eher noch angekurbelt wurde, stand am Ende dennoch ein Minus von 0,1 Prozent zu Buche. Die Industrieproduktion, die Cameron gerne fördern will, lag Ende 2012 sogar noch um 1,5 Prozent unter dem Wert des Vorjahres.
Zwar konnte die Neuverschuldung von einst 11,5 Prozent im Jahr 2009 schrittweise auf 6,9 Prozent abgebaut werden - knapp vier Punkte über dem erlaubten Maastricht-Kriterium. Dies gelang jedoch auch nur, weil der Pensionsfonds der staatlichen Post Royal Mail mit 28 Milliarden Pfund (32,4 Mrd Euro) aufgelöst wurde - ein Einmaleffekt, der immense Kosten für den Staat in der Zukunft nach sich ziehen wird, wie Experten befürchten.
Düsteres Bild bei der Gesamtverschuldung
Bei der Gesamtverschuldung sieht es noch düsterer aus: Im dritten Quartal 2012 war laut der europäischen Statistikbehörde ein Schuldenstand von 87,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufgelaufen. Da im vierten Quartal das Wirtschaftswachstum mit 0,3 Prozent rückläufig war, dürfte Großbritannien am Jahresende mit mehr als 90 Prozent in der Kreide gestanden haben - insgesamt die enorme Summe von 1,35 Billionen Pfund. Rechnet man die Stützungsmaßnahmen für das marode Bankensystem mit ein, schnellt die Schuldenrate gar auf 140 Prozent.
Immerhin hat Moody's auch ein gutes Haar an den Briten gelassen. Die Volkswirtschaft sei wettbewerbsfähig und diversifiziert. Der Ausblick ist jetzt stabil - eine weitere Herabstufung droht zunächst nicht. In der Tat hatte sich zuletzt die Arbeitslosigkeit, die derzeit bei 7,8 Prozent liegt, etwas günstiger entwickelt. Auch die Exporte machten in jüngster Zeit Fortschritte. Dass der Pfundkurs in den vergangenen Wochen auf Talfahrt sowohl im Vergleich zum Euro als auch zum US-Dollar ging, kommt der Regierung in dieser Hinsicht nicht ungelegen.
Die Zentralbank in London scheint - darauf lassen jüngste Äußerungen aus der Bank of England schließen - der Eindämmung der Inflation nicht mehr die oberste Priorität einzuräumen. Sie werde mittelfristig nicht mehr die Zielmarke von zwei Prozent erreichen, sondern eher bei drei Prozent liegen. Kritiker von der Labour-Opposition schäumen vor Wut: Die konservative Regierung um Börsianer-Sohn Cameron lasse den kleinen Mann auf der Straße über schnell steigende Preise die Schulden zahlen, die die Banker verursacht haben.