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Portugal will nach Massenprotesten Sparkurs ändern

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Lissabon - Nachdem hunderttausende Portugiesen gegen die Sparpolitik ihrer Regierung auf die Straße gegangen sind, schlägt das hoch verschuldete Euroland einen neuen Sanierungskurs ein. Man werde auf einige geplante Maßnahmen verzichten und dafür unter anderem eine Erhöhung der Einkommens-, der Kapital- und der Vermögenssteuer überprüfen und die neuen Pläne "bald bekanntgeben", erklärte Ministerpräsident Pedro Passos Coelho am Montag in Lissabon nach einem Treffen mit Vertretern von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden.

Die Geldgeber-"Troika" aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) müsse diese neuen Pläne allerdings absegnen. Portugal sei "finanziell nicht autonom", warnte Passos.

EU-Kommission fordert Einhaltung des Sparkurses

Im Gegenzug werde man den Rentnern und Beamten im nächsten Jahr entgegen den bisherigen Plänen "einen Teil" des 2012 gestrichenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes wieder zahlen, erklärte der Chef der Mitte-Rechts-Regierung gegenüber Journalisten. Teilnehmer des Treffens sagten, Passos habe außerdem angekündigt, dass er die umstrittene Erhöhung der Sozialabgaben der Arbeiter von 11 auf 18 Prozent doch nicht in die Tat umsetzen wolle. Auch wolle Passos den Vorschlag einer Erhöhung der Tabaksteuer um 30 Prozent überprüfen.

Vor dem Hintergrund der Proteste und eines möglichen Rückziehers der Regierung in Portugal bei besonders umstrittenen Sparmaßnahmen hatte die EU-Kommission am Montag vor Bekanntgabe der neuen Pläne auf die Einhaltung der vereinbarten Sparziele gepocht. Es sei an Portugal, den vereinbarten Sparkurs einzuhalten. "Die Ziele werden nicht geändert, das Abkommen wird nicht geändert", so ein Sprecher.

Hunderttausende machen ihrem Ärger Luft

Die neuen Maßnahmen sind zwar eine Reaktion auf die jüngsten Massenproteste, stießen jedoch zum Teil sofort auf heftige Kritik. "Wir sind gegen jede Art von Steuererhöhung, die zu einer Kürzung der Gehälter führt", sagte der Chef des Gewerkschaftsdachverbandes CGTP, Arménio Carlos, der ungeachtet der Gespräche mit Passos für nächsten Samstag zu einem landesweiten Protesttag aufgerufen hatte. Auch der Präsident des Dienstleistungsverbandes, Luís Reis, monierte, die neuen Maßnahmen würden "die Rezession noch weiter vertiefen".

Passos hatte sich am Freitag bei einem Treffen mit Präsident Anibal Cavaco Silva und einem Beratergremium des Staatsoberhaupts bereiterklärt, Alternativen zu umstrittenen Sparmaßnahmen zu prüfen. Während des achtstündigen Treffens hatten Tausende vor dem Amtssitz des Präsidenten lautstark gegen die Regierung und gegen die "Troika" protestiert. Erst am 15. September waren Hunderttausende in ganz Portugal bei einer der größten Kundgebungen der vergangenen Jahrzehnte auf die Straßen gegangen, um ihrem Ärger über die Sparpolitik Luft zu machen.

Portugal hatte bisher bei der Sanierung der Staatsfinanzen Erfolg. Im August hatte das Finanzministerium aber eingeräumt, man werde wegen eines Einbruchs der Steuereinnahmen infolge der Rezession das für 2012 festgelegte Haushaltsdefizit-Ziel nicht ohne zusätzliche Sparmaßnahmen erreichen. Die "Troika", die Portugal 2011 mit einem 78-Milliarden-Euro-Paket unter die Arme griff, verlängerte daraufhin das Sanierungsprogramm des Landes um ein Jahr auf 2014.