Ost-West-Gefälle: 17 Prozent weniger Lohn für gleiche Arbeit
Stand: 12.07.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dapd
Berlin - Zwanzig Jahre nach der Einheit verdienen Arbeitnehmer im Osten immer noch bis zu einem Drittel weniger als im Westen. Im Schnitt liegt das Lohngefälle bei 17 Prozent, wie die "Bild"-Zeitung am Dienstag auf Grundlage einer eigenen Auswertung von Daten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung berichtet.
Demnach verdienen zum Beispiel Feinmechaniker, Gas-Wasser-Installateure oder Fleischer in den neuen Ländern rund 30 Prozent weniger als im Westen. Für Kfz-Mechaniker und Drucker liegt die Differenz bei gut 28 Prozent, für Bäcker, Köche oder Sozialarbeiter immer noch bei rund 20 Prozent.
Besonders hoch ist das Lohngefälle dem Bericht zufolge bei Fräsern. Während im Westen im Schnitt 2.425 Euro im Monat gezahlt werden, liegt das Durchschnittsgehalt im Osten bei 1.631 Euro - rund 33 Prozent weniger. "Bild" hatte für die Berechnung zehn Jahre Berufserfahrung und eine 38-Stunden-Woche in einem mittelgroßen Betrieb zugrunde gelegt. Leitungs-, Urlaubs- oder sonstige Zuschläge wurden nicht einbezogen.
In Stichproben korrekt
Die Stiftung erklärte auf Anfrage, die Berechnungen der Zeitung auf Grundlage von Daten aus dem Lohnspiegel-Projekt der Stiftung hätten sich in Stichproben als korrekt erwiesen. Sprecher Rainer Jung sagte allerdings, dass die Online-Umfrage nicht repräsentativ sei, weil Teilnehmer freiwillig ihre Gehaltsdaten zum Vergleich eingeben können. Zwar stimme bei insgesamt 180.000 Teilnehmern in der Regel die Tendenz. Bei einzelnen Berufsfeldern sei aber die Teilnehmerzahl gering.
Deshalb sei auch die von "Bild" ermittelte bessere Bezahlung für einige Berufe in Ostdeutschland "mit Vorsicht zu genießen", sagte der Sprecher. Die Zeitung hatte berechnet, dass in zwei der untersuchten 100 Berufe die Ost- über den West-Löhnen lägen: Friseure bekämen zwei Prozent mehr Gehalt, bei Briefzustellern liege das Plus bei vier Prozent.
Der Projektleiter des Lohnspiegels, Reinhard Bispinck, erklärte das Lohngefälle mit einer geringeren Tarifbindung der ostdeutschen Firmen. "Zudem gibt es im Osten weniger große Betriebe", sagte Bispinck der Zeitung. "Je kleiner, desto geringer in der Regel die Bezahlung."
Politiker für Angleichung
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) plädierte in der Zeitung für eine Angleichung und warnte die ostdeutschen Unternehmen: "Mit dieser ungleichen Bezahlung werdet ihr keine Fachleute finden." Die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch erneuerte die Forderung ihrer Partei nach einem einheitlichen und flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. "Zudem ermuntere ich die Gewerkschaften, dass sie keine unterschiedlichen Tarifabschlüsse zwischen Ost und West mehr zulassen", erklärte Lötzsch. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, für Frauen und Männer und in allen Regionen, ist die Grundvoraussetzung für die Angleichung der Lebensverhältnisse in unserem Land, so wie es das Grundgesetz vorschreibt."
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